Misterioso
Notizblock da drüben auf dem Telefontischchen interessante Ergebnisse bringen würde.«
Hjelm machte es sich in dem Sessel gegenüber von Linden bequem.
»Und dann ging der große Bock auf den Troll los, nahm ihn auf die Hörner und schleuderte ihn in hohem Bogen durch die Luft, so weit fort, dass der Troll auf Nimmerwiedersehen verschwand. Danach sprang der Bock zurück auf seine Weide, wo er sich mit den anderen Böcken so fett fraß, dass sie nicht mehr nach Hause gehen konnten. Und wenn sie nicht abgespeckt haben, sind sie heute noch da.«
Jörgen Lindén schwieg beharrlich.
»Volksmärchen. Es ist schon fast zehn Jahre her, dass ich das meinen Kindern vorgelesen habe. Abend für Abend. Es sitzt noch jedes Wort. Welcher Troll ist auf dem Swan-Boot im hohen Bogen durch die Luft geflogen und auf Nimmerwiedersehen verschwunden? Der Armutstroll? Der Abstinenztroll? Grasen Sie immer noch auf der fetten Weide?«
Linden schloss die Augen.
»Mein Sohn ist nur wenige Jahre jünger als Sie. Ich hoffe jedenfalls, dass er das ist. Sie können mir hier oder auf dem Polizeipräsidium antworten: Was war das für ein Troll, den der große Bock Strand-Julén vertrieben hat?«
»Der Armutstroll jedenfalls nicht«, sagte Linden angestrengt. »Er wollte keine Wiederholung. Wollte uns nicht wiedersehen. Ich bin ein paar Monate mit der Knete über die Runden gekommen, mehr nicht. Und Drogen sind ausgeschlossen. Ich bin clean.«
»Keine Rave-Partys, kein Ecstasy? Wie letzte Nacht?«
»Das ist was anderes. Davon wird man nicht abhängig.«
»Natürlich nicht.« Hjelm lehnte sich im Sessel zurück. »Wenn Sie als Prostituierter weitermachen, werden Sie recht bald solche Mittelchen brauchen, die abhängig machen. Egal, dafür habe ich im Augenblick keine Zeit. Meine dringlichste Frage ist: Haben Sie jemals einem Direktor namens Kuno Daggfeldt in Danderyd Ihre Dienste angeboten?«
»Man erfährt nicht immer, wie sie heißen ...«
»So sieht er aus«, sagte Hjelm und zeigte ihm das Foto des stattlichen Mannes, der hart darum kämpfte, seine gut fünfzig Jahre mit Würde zu tragen. Nichts hebt die Eitelkeit so deutlich hervor wie der Tod, dachte Hjelm und war sicher, dass er damit im Geiste irgend jemanden zitiert hatte.
»Nein«, sagte Jörgen Lindén. »Den kenne ich nicht.«
»Sind Sie hundertprozentig sicher? Gehen Sie Ihr inneres Register noch einmal durch.«
»Ich erinnere mich an sie, glauben Sie mir. Ich erinnere mich an jeden einzelnen.«
»Eine ganze Herde großer Böcke ... Okay. Der Name Ihres Zuhälters, seine Anschrift?«
»Bitte ...«
»Unter anderen Umständen hätte ich wahrscheinlich versucht, Sie von der Straße wegzuholen, Sie am Nackenfell zu packen wie ein Katzenjunges und zu Ihren Eltern zurückzuschleppen ...«
»Das könnte schwierig werden.«
»... aber die Dinge liegen nun mal etwas anders. Alles, was ich will, ist, soviel wie möglich über Daggfeldt und Strand-Julen herauszufinden. Und darum brauche ich sofort den Namen Ihres verdammten Zuhälters.«
»Wissen Sie, was der mit mir macht, wenn er rauskriegt, dass ich geplaudert habe?«
»Von mir wird er es nicht erfahren, das garantier ich Ihnen.«
»Johan Stecher. Ich weiß nicht, ob er wirklich so heißt, und eine Adresse habe ich auch nicht. Nur eine Telefonnummer.«
Linden schrieb die Nummer auf einen Zettel und reichte ihn Hjelm.
»Damit zur letzten Frage: Strand-Juléns sexuelle Präferenzen, so detailliert wie möglich.«
Jörgen Lindén sah ihn flehend an und fing an zu weinen.
Sprache der Macht, dachte Paul Hjelm und war nicht sicher, wie er sich fühlte.
Ein Hagelschauer trommelte zehn Sekunden lang gegen die Scheibe, dann war er vorbei. Aprilwetter, dachte Hjelm und nieste laut.
Es war zwei Uhr, als er die Klingel der Nockeby-Villa drückte. Nachdem die Anfangstakte von »An die Freude« das dritte Mal gespielt worden waren, verfluchte er Beethovens Taubheit. Er hatte die Polizeikarte falsch interpretiert und war vom Brommaplan durch die Vororte gekurvt, statt den direkten Weg über den Drottningholmsvägen zum Festlandsbollwerk hinter der Nockebybro zu nehmen. Ärgerlich darüber, dass er sich nur im Süden der Stadt gut auskannte, stand er auf der riesigen Veranda am Grönviksvägen und wartete darauf, dass endlich jemand aufmachte. Hinter der Villa fiel das Gelände zum Mälaren ab, wo er am allerschönsten ist, in der Förde zwischen Kärsön und Nockeby, zwischen Stockholm Stadt und Ekerö. Die Villa war vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher