Misterioso
sie das alte gegen ein größeres eingetauscht. Ninni hasste das, Zitat, ›vermaledeite Boot‹, machte aber gute Miene zum bösen Spiel. Daggfeldt hatte einen Running Gag über sie und das Boot, den er bei jeder Gelegenheit zum besten gab.«
Kerstin Holm blättert in ihrem Notizbuch.
»Gesund, aber seekrank«, sagte Hjelm.
Sie sah ihn forschend an und sprach weiter.
»Genau. Ninni machte gute Miene zum bösen Spiel, war aber, ich zitiere wieder, ›angewidert von der klebrigen Familienintimität auf Bestellung, die zwei Wochen im Jahr durchgehalten wurde, sonst nie‹. Lilian Strand-Julén wird da noch deutlicher: Gunnar hat ja bereits die Sankt-Bernhard-Passage zitiert und ... Paul, stimmt doch, oder? Paul hat mit hinreichender Deutlichkeit Fakten über die Irrfahrten des Swan-Bootes vorgelegt. Man könnte natürlich in Erwägung ziehen, dass die beiden Witwen, die nun frei und für den Rest ihres Lebens finanziell unabhängig sind, zusammen einen Berufskiller engagiert haben, womit die gesamte Serienmordthese hinfällig wäre. Das Problem ist nur, dass sie einander nicht kennen. Sie haben etliche gemeinsame Bekannte, aber direkt können sie sich nicht aneinander erinnern. Behaupten sie. Wir werden das natürlich genauer überprüfen. Eine gewisse Anna-Clara Hummelstrand, Ehefrau von George Hummelstrand, seines Zeichens Vizedirektor bei Nimco Finanz, ist offensichtlich mit beiden enger befreundet. Sie ist heute in aller Frühe nach Nizza abgereist, was von Interesse sein könnte. Möglicherweise hat Frau Hummelstrand eine Art Vermittlerrolle zwischen Ninni und Lilian gespielt. Generell lässt sich sagen, dass es auf beiden Seiten eine Unmenge Motive gibt, aber keine konkreten Verbindungen.«
»Danke«, sagte Hultin und schrieb einen Satz auf der Tafel zu Ende. »Hjelm.«
»Ich würde meinen Bericht gern als letzter abgeben, wenn das in Ordnung ist. Und danach werden wir über die Nachtschicht reden müssen.«
»Heißt das, du hast einen Kandidaten in petto, den wir bereits heute Abend unter Personenschutz stellen können?«
»Das wird sich zeigen. Es wäre gut, wenn zunächst die anderen ihre Sachen vortragen. Natürlich nur, wenn Söderstedt und Chavez nicht einen genauso starken Kandidaten haben?«
Die beiden Angesprochenen schüttelten den Kopf. Hultin nickte zögernd.
»Okay«, sagte er. »Söderstedt?«
»Ich habe über die Serienmordthese nachgedacht«, sagte er in klingendem Finnlandschwedisch. »Aus internationaler Sicht haben wir’s ziemlich eilig. Zwei identische Morde bedeuten schließlich vorerst nicht mehr als zwei identische Morde.«
»Zweifellos«, unterbrach Hultin ihn. »Aber die Richtlinien, die Abteilungschef Mörner und der Reichskripochef ausgearbeitet haben, betonen vor allen Dingen das protektionistische Moment. Darum behandeln wir diesen Fall als Serienmord, bevor er formell gesehen einer ist. Ganz davon abgesehen, ist es meine feste Überzeugung, dass es sich tatsächlich um Serienmord handelt. Und letztendlich sind es meine Einschätzungen, die die Richtung der Ermittlungen bestimmen.«
Hoppsa, dachte Hjelm. Kriminalkommissar Jan-Olov Hul-tins erste Machtdemonstration. Aber Söderstedt ließ sich davon nicht beeindrucken.
»Ich dachte nur daran, wie ›in‹ Serienmorde momentan sind. Man lässt sich leicht von den amerikanischen Perversitäten verleiten. Ein Irrer namens Jeffrey L. Dahmer wurde vor kurzem zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er siebzehn schwarze Jungs ermordet, zerstückelt und aufgegessen hat. Sein Vater hat einen Bestseller darüber geschrieben, wie es ist, der Vater eines Monsters zu sein. Sowohl Vater als auch Sohn haben sich an der Tat eine goldene Nase verdient. Sympathisanten, unter anderem aus Südafrika, schicken dem Sohn Geld ins Gefängnis, und etliche Zeitschriften in den USA verherrlichen Serien- und Massenmorde. Es handelt sich da natürlich um eine im Verfall begriffene Gesellschaft, in der eine weit verbreitete Frustration den Boden dafür bereitet, dass ein ganzes Volk sich mit der extremen und durch und durch krankhaften Außenseiterrolle identifizieren kann. Der totale Bruch mit allen sozialen Regeln ist derart faszinierend, dass man einem Massenmörder Geld schickt. Sozusagen rückwirkend als Belohnung. Aber in diesen Fällen haben wir durchweg schwache Opfer, deren einziges medientaugliches Merkmal darin besteht, dass sie genau das sind: Opfer. Man kann sich fragen, was für einen Effekt solche Geschichten auf die schwedische
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