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Misterioso

Misterioso

Titel: Misterioso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Kassette wieder an sich und wollten gerade gehen, als seine Stimme aus dem dunklen Raum sie einholte: »Die drei CDs für eine Kopie.«
    Kerstin Holm blickte auf ihre Hand, die immer noch die CDs mit den gregorianischen Gesängen umklammerte. Die hatte sie völlig vergessen.
    »Wie lange dauert das?« fragte Chavez, gerade als Hjelm zu einem Protest ansetzte.
    Alberto lachte und zeigte auf das zweite Kassettenfach. »Schon erledigt«, sagte er mit einem breiten Grinsen.
    Jim Barth Richards hatte in der Tat extrem weiße Haut. Sie trafen ihn leidlich nüchtern in einer stilechten Einzimmerwohnung in der Altstadt an. Er war in den Fünfzigern, sein Haar war genauso weiß wie seine Haut. Er lag in Shorts und T-Shirt auf einer Matratze auf dem Boden.
    »Du hast doch bestimmt schon von der neuen Jazzschule in den USA gehört«, sagte Chavez, »den Anti-Selbstdestruktivi-sten. Die Marsalis-Brüder und noch radikalere Typen gehören dazu. Meinst du nicht, dass es langsam an der Zeit wäre, den Outsider-Mythos zu Grabe zu tragen?«
    »Traditionalisten!« schnaubte White Jim in amerikanisch klingendem Schwedisch. »Glauben, man könnte Musik schaffen, indem man die verfuckte Geschichte büffelt. Wie in der Klippschule. Where does their fucking pain come from! Books Fucking mother’s boy! Those who talk don’t know, those who know don’t talk.«
    Hjelm und Holm wechselten kurze Blicke.
    Hjelm begann allmählich zu fürchten, dass sie es sich mit White Jim verscherzen könnten, ehe sie an ihn herangekommen waren. Das Risiko, rausgeschmissen zu werden, wuchs zusehends. Aber statt dessen richtete Jim Barth Richards sich auf der Matratze auf und klopfte mit der Handfläche neben sich.
    »Sit down, for God’s sake!«
    Jorge setzte sich, nahm die Jack-Daniels-Flasche, die White Jim von irgendwo hervorgezaubert hatte, und trank einen ordentlichen Schluck.
    »Du hättest Musik machen sollen«, sagte White Jim. »Und nicht so einer werden wie die.« Er zeigte auf Holm und Hjelm. »Du nimmst die Sache wirklich ernst.«
    »Die beiden wissen mehr über Musik als du«, erwiderte Chavez.
    Sie lachten beide, lange. Hjelm begriff nichts mehr.
    Kerstin Holm nutzte die Gelegenheit. »Wir wissen, dass Sie vor zehn Jahren versucht haben, eine Aufnahme von Monks, Griffins, Maliks und Haynes kleiner Improvisation Risky zu verscherbeln.«
    White Jim sah sie verdutzt an. Dann brüllte er los vor lachen. »Ihr habt wirklich einen langen Atem, das muss man euch lassen. Drei Bullen auf einen ehemaligen Saxophonisten wegen solcher peanuts! I’m deeply honoured, people!«
    »Wir sind nicht hier, um Sie festzunehmen. Wir wollen nur wissen, wer Ihre Kunden waren.«
    »Es gibt nicht viele, die so etwas kaufen, you know. Als Red Mitchell mich Mitte der Siebziger hierher verschleppte, wusste ich bereits aus Erzählungen, dass ihr ein kleines, aber jazzliebendes Völkchen am Eismeer seid. Also hab ich möglichst viele von den Originaltonbändern, mit denen Griffin mich Anfang der Sechziger versorgt hatte, kopiert. Ich hatte damals einen great deal mit Johnny laufen, jung und grün hinter den Ohren und absolut enthusiastisch. Er hatte gesagt, es gäbe noch jede Menge unveröffentlichtes Material aus der Five-Spot-Zeit, Round Midnight und Evidence und Risky zum Beispiel und zig andere Stücke. Die meisten sind inzwischen längst veröffentlicht, weil der Produzent, wie hieß er noch gleich, Keepnews, Zaster brauchte. Aber Risky und noch ein paar andere Nummern sind meine Babys. Die sind noch nirgends erschienen. Ja, verdammt, ich hatte damals zehn oder elf Aufnahmen dieser Art aus den Staaten mitgebracht und hab versucht, sie stückweise zu Geld zu machen. Die Risky-Auf- nahme war eine der letzten, ‘85, ‘86 muss das gewesen sein. Da hatte ich schon einen festen Kundenkreis. Fünf Leute, mehr waren nicht bereit, einen Tausender für eine nicht ganz astreine Raubkopie hinzublättern. Immerhin war es fucking illegal. Ich hatte keine Rechte an den Stücken. Ein paar Aufnahmen hab ich für die Rente zurückgelegt.«
    »Und was waren das für Leute, die eine Kopie der Risky- Aufnahme gekauft haben?« Kerstin Holm ließ nicht locker.
    »Seit Anfang der Achtziger waren es immer dieselben. Jazzliebhaber: vielleicht. Liebhaber von Kuriositäten: absolut. Wenn ihr mir versprecht, sie nicht hochgehen zu lassen, bekommt ihr die Adressen. Zwei in Stockholm, zwei in Göteborg, einer in Malmö. Irgendwo muss hier ein kleines, gelbes fucking notebook rumfliegen

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