Misterioso
Pickel auf seiner Wange im Laufe der letzten Woche geworden war; keine Zeit, sich wie in einem Vakuum zu fühlen, einem schwarzen Loch mitten in einer lebendigen und nach Veränderung schreienden Umgebung; keine Zeit, sich über die kuriosen Risse in seiner Ehe Gedanken zu machen. Er ergriff die Gelegenheit beim Schöpfe. Die Witterung der Kassette war kräftig genug, um alle anderen Düfte zu überlagern.
Hjelm packte die letzten Sachen für die Reise nach Göteborg und Malmö, wo er die übrigen drei Besitzer der Thelonious-Monk-Aufnahme von Risky aufsuchen wollte. Hultin hatte Kerstins und seinen Bericht über Radholm und Palmberg widerspruchslos hingenommen. Sie waren überzeugt davon, dass keiner der beiden der Mörder war und dass tatsächlich keiner der beiden eine Kopie seiner Aufnahme gemacht hatte. Aber noch bestand die geringe Chance, dass einer der übrigen drei Kandidaten der Mörder war.
Die stolze Weigerung des Exmajors, das Tonband zu kopieren, schien für diesen Typus von Jazzfanatiker charakteristisch zu sein. Man konnte also davon ausgehen, dass nicht allzu viele Kopien von Kopien im Umlauf waren.
Auf der anderen Seite der Wand traf Kerstin Holm letzte Vorbereitungen, um Hjelm nach Westschweden zu begleiten. Auch sie hatte diesen typischen konzentrierten Blick angenommen. Alles andere wurde ausgeblendet.
Und da kam der Anruf aus Dalarö.
Hjelm griff nach dem Hörer und meldete sich gehetzt. Chavez beobachtete ihn von der anderen Seite des Schreibtisches und sah, wie der rote Fleck auf Hjelms linker Wange deutlich hervortrat, während der Rest seines Gesichts merklich blasser wurde.
Hjelm sagte während des gesamten Telefonats kein einziges Wort. Er stand einfach nur da und wurde kreidebleich. Der Pickel auf seiner Wange erinnerte Chavez an ein pulsierendes Herz. Als er auflegen wollte, fiel Hjelm zweimal der Hörer aus der Hand.
Jorge wartete.
»Cilla hat mich verlassen«, sagte Paul leise.
Jorge legte seinen Stift auf den Schreibtisch.
»Sie hat aus dem Sommerhaus angerufen. Sie will nicht, dass ich noch einmal hinkomme. Sie braucht Zeit zum Nachdenken.«
Als Kerstin Holm die Tür öffnete, sah sie zwei Männer, die sich umarmten. Sie schob die Tür ganz leise wieder zu.
Im Taxi zum Flughafen stellte sie nur eine Frage. »Wirst du es schaffen?«
Hjelm nickte kraftlos.
Ihr ging durch den Kopf, dass der rote Pickel in seinem blassen Gesicht wie ein Bettlerzinken aussah, ein leicht angeschrägtes liegendes Rechteck.
Sie konnte sich nur nicht erinnern, was es bedeutete.
Auf dem Flug von Arlanda nach Landvetter kehrte ein Hauch von Farbe in Hjelms Gesicht zurück. Der Pickel zeichnete sich nicht mehr ganz so deutlich ab, und als die Konturen sich schließlich ganz auflösten, fiel Kerstin Holm wieder ein, was das Zeichen bedeutete. Die Landstreicher benutzten das liegende Rechteck als Warnung für ihre Kollegen, wenn in einem Haus brutale oder rücksichtslose Menschen wohnten. Aber jetzt war es kaum noch zu sehen.
Hjelms konzentrierter Tunnelblick stellte sich wieder ein, enger als vorher.
Noch vom Flughafen in Landvetter aus rief Hjelm zu Hause an und sprach lange mit Tova darüber, was eigentlich vorgefallen war. Danne war ans Telefon gegangen, hatte ihn aber nur kurz angegiftet und dann den Hörer an Tova weitergereicht. In Dannes Augen war ganz offensichtlich er an allem schuld, so wie er grundsätzlich für alles persönlich verantwortlich gemacht wurde, was schief lief in der pubertären Infernowelt seines Sohnes. Zu Tova hatte Cilla nur gesagt, dass Mama und Papa sich eine Zeitlang nicht sehen wollten, mehr nicht. Tova meinte, dass sie Mutters Stimme kaum wiedererkannt hätte. Hjelm versuchte ihr die Situation zu erklären, so gut es ging -und merkte schnell, dass er irgendwann nur noch Klischees benutzte. Die Sprache verteilt die Rollen, dachte er bitter. Er fragte, ob sie ein paar Tage allein zurechtkommen würden, worauf Tova lachte und sagte, dass sie das schließlich schon täten, seit Cilla sich in den Kopf gesetzt habe, ganz nach Dalarö rauszuziehen und er rund um die Uhr arbeite.
Als sie aufgelegt hatten, ging ihm auf, dass er in diesen Bahnen überhaupt noch nicht gedacht hatte.
Kerstin Holm und er fuhren gemeinsam zu den beiden Tonbandbesitzern. Der erste wohnte nicht weit von Haga, in der Kastellangatan im Stadtteil Olivedal. Leider erwies sich der ehemalige Musiklehrer Egon Hasseigren schnell als falsche Fährte.
Es war später Nachmittag, als er sie in seine
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