Mistreß Branican
thun gedenke.
Len Burker besuchte Mr. William Andrew in seinem Bureau. (S. 48.)
Als Len Burker von dieser Depesche Kenntniß erhielt, welche Mr. William Andrew ihm mittheilen zu sollen glaubte, billigte er sie, indem er zugleich die Furcht aussprach, daß die Rückkehr Johns wohl gar keinen heilsamen Einfluß auf den Zustand Dollys hervorrufen werde. Aber Jane klammerte sich an diese Hoffnung, daß die Rückkehr Johns Dolly den Verstand wiedergeben könnte, und Len Burker versprach ihm zu schreiben, damit er seine Reise nach San-Diego nicht verzögere – ein Versprechen, das er übrigens nicht hielt.
Während der folgenden Wochen machte sich keine Veränderung in dem Zustande der Mrs. Branican bemerkbar. Wenn auch das physische Leben in ihr durch nichts gestört wurde und ihre Gesundheit nichts zu wünschen übrig ließ, so war doch die Veränderung deutlich auf ihrem Gesichte bemerkbar. Das war nicht mehr die Frau, welche noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, mit diesem bleichen Aussehen, den starren Blicken, als wenn das Feuer der Seele in ihr erloschen wäre. Uebrigens konnte man sie nur selten sehen, wenigstens nur in dem Garten, wo sie entweder auf einer Bank saß oder am Arme Janes spazieren ging.
Zu Anfang Juni waren es zwei und ein halber Monat, seit der »Franklin« den Hafen von San-Diego verlassen hatte. Seit seiner Begegnung mit dem »Boundary« hatte man nichts mehr von ihm gehört. Vorausgesetzt, daß ihm kein Unfall zugestoßen war, mußte er jetzt nach einer ungefähren Berechnung nach Calcutta kommen. Weder aus dem Stillen Ocean noch aus dem Indischen Meere war schlechtes Wetter signalisirt worden, das den Lauf eines so großen Segelschiffes hätte aufhalten können.
»Komm, liebe Dolly, komm!« sagte Jane. (S. 54)
Unterdessen war Mr. William Andrew doch überrascht, daß er gar nichts von dem Schiffe hörte. Er konnte es sich nicht erklären, daß sein Correspondent ihm nicht die Abfahrt des »Franklin« von Singapore mitgetheilt habe. Wieso war es anzunehmen, daß der »Franklin« dort nicht gelandet wäre, nachdem John diesbezüglich stricte Befehle erhalten hatte? Nun, man mußte ja in einigen Tagen etwas hören, sobald der »Franklin« würde in Calcutta angekommen sein.
Eine Woche verfloß. Am 15. Juli war noch keine Nachricht da. Nun wurde sofort eine Depesche an den Correspondenten des Hauses Andrew abgesendet und um sofortige Antwort bezüglich des »Franklin« und John Branican’s ersucht.
Diese Antwort traf nach zwei Tagen ein.
Man wußte nichts von dem »Franklin« in Calcutta. Der amerikanische Dreimaster war um diese Zeit nicht einmal in dem Bengalischen Meerbusen gesehen worden.
Die Ueberraschung Mr. William Andrew’s wurde zur Unruhe, und da ein Telegramm unmöglich verschwiegen bleiben kann, so verbreitete sich bald in San-Diego das Gerücht, daß der »Franklin« weder in Singapore noch in Calcutta angekommen sei.
Sollte also die Familie Branican von einem neuen Schicksalsschlage betroffen worden sein – ein Schicksalsschlag, der auch die Familien von San-Diego, denen die Bemannung des »Franklin« angehörte, traf? Len Burker trug keine große Beunruhigung zur Schau, als er diese alarmirenden Nachrichten vernahm. Waren doch seine Gefühle für John stets nur scheinbar und war er doch ein Mensch, der sich blutwenig um das Unglück Anderer kümmerte. Wie dem auch war, von dem Tage an, wo man sich über das Schicksal des »Franklin« beunruhigen konnte, erschien er düsterer, verschlossener zu sein – selbst in seinen Geschäften. Man sah ihn nur selten in den Straßen von San-Diego und in seiner Kanzlei in der Fleet Street, so daß es schien, als wollte er sich ganz in das Prospect-House einsperren.
Um diese Zeit ging in diesem Hause eine Veränderung vor. Len Burker entließ die Dienerin, die man bisher behalten hatte und deren Dienste nichts zu wünschen übrig ließen.
Die Mulattin hatte nun die ganze Hauswirthschaft zu führen. Mit Ausnahme von ihr und Jane hatte Niemand Zutritt zu Mrs. Branican. Mr. William Andrew, dessen Gesundheit in Folge dieser Schicksalsschläge nicht die beste war, mußte seine Besuche in dem Prospect-House aufgeben. Da noch dazu der wahrscheinliche Untergang des »Franklin« kam, was hätte er auch dort zu thun gehabt? Uebrigens wußte er, daß Dolly, seitdem sie nicht mehr spazieren ging, ruhiger geworden war und keinen nervösen Anfall mehr gehabt hatte. Sie lebte, sie vegetirte mehr in einem Zustande geistiger
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