Mistreß Branican
John nicht mehr nöthig hätte, in die See zu stechen… daß er sie nie mehr verlassen… daß diese Reise für das Hans Andrew die letzte sein würde, die er unternommen hätte…
Und war es nicht auch die letzte, da der Capitän John nicht mehr zurückkehren sollte!
»Lieber Herr Andrew, rief Dolly, wenn John einmal zurück sein wird, so darf er nicht mehr fort… Seine Begeisterung für das Seemannsleben muß er mir opfern!… Wir werden zusammen leben… für immer zusammen!… Nichts wird uns mehr trennen!«
Bei dem Gedanken, daß dieses Glück durch ein einziges Wort vernichtet werden könnte, ein Wort, daß er bald aussprechen müßte, konnte Mr. William Andrew seine Fassung nicht mehr bewahren. Er beeilte sich, diesem Gespräch ein Ende zu machen; doch bevor er sich entfernte, nahm er Mrs. Branican das Versprechen ab, keine Unvorsichtigkeit zu begehen, sich nicht hinauszuwagen, ehe der Arzt es ihr nicht erlaubt hätte. Seinerseits wiederholte er, daß er, sobald er direct oder indirect eine Nachricht über den »Franklin« erhalten werde, dies sofort werde im Prospect-House melden lassen.
Als Mr. William Andrew diese Unterredung Dr. Brumley mittheilte, konnte dieser nicht umhin, seine Besorgniß auszudrücken, eine Indiscretion möchte Mrs. Branican den ganzen Sachverhalt erkennen lassen: daß ihr Wahnsinn vier Jahre gedauert, daß man seit vier Jahren nichts über den »Franklin« gehört hätte, daß sie John nie mehr sehen würde.
Es wurde daher beschlossen, daß in ungefähr acht Tagen, wenn Mrs. Branican durch keinen plausiblen Grund mehr im Hause zurückgehalten werden konnte, sie von Allem in Kenntniß gesetzt werde.
»Möge Gott ihr Kraft zu dieser Prüfung geben!« sagte Mr. William Andrew.
In der letzten Juniwoche lebte Mrs. Branican so, wie sie es immer gewohnt war. Dank der Pflege, mit der man sie umgab, erhielt sie ebenso ihre physischen Kräfte wieder, wie sich zu gleicher Zeit ihr Geist stärkte. Auch Mr. William Andrew wurde durch ihre Fragen immer mehr in Verlegenheit gebracht, da sie sich oft nach Dingen erkundigte, die er ihr nicht sagen durfte.
Am 23. Juni Nachmittags besuchte er sie, um ihr eine bedeutende Summe Geldes zur Verfügung zu stellen und ihr Rechenschaft über ihr Vermögen abzulegen, das in der Bank von San-Diego sicher angelegt war. An diesem Tage war Mrs. Branican gegen Alles, was Mr. William Andrew ihr sagte, auffallend gleichgiltig. Sie hörte ihm kaum zu. Sie sprach nur von John, sie dachte nur an ihn. Wie! Noch kein Brief?… Dies beunruhigte sie sehr!… Wieso kam es, daß das Haus Andrew nicht einmal eine Depesche erhielt, welche die Ankunft des »Franklin« in Indien anzeigte?
Mr. William Andrew suchte Dolly zu beruhigen, indem er sagte, daß er soeben ein Telegramm nach Calcutta gesendet habe und daß jeden Tag die Antwort eintreffen müsse. Kurz, wenn es ihm gelang, sie von diesem Gedanken abzubringen, so setzte sie ihn neuerdings in große Verlegenheit, als sie ihn fragte:
»Herr Andrew, es lebt ein Mann, von dem ich noch nicht mit Ihnen gesprochen habe… der nämlich, der mir das Leben gerettet hat und der mein armes Kind nicht hat retten können… der Matrose…
– Der Matrose? wiederholte er nicht ohne sichtliches Zögern.
– Ja… dieser muthige Mann… dem ich das Leben verdanke… Ist er belohnt worden?
– Ja, Dolly«
Und so verhielt es sich auch in der That.
»Ist er in San-Diego, Herr Andrew?
– Nein… liebe Dolly… Nein! Ich habe gehört, daß er wieder in die See gestochen ist…«
Das war auch wahr.
Nachdem er den Hafendienst verlassen hatte, schiffte er sich wieder ein.
»Aber wenigstens werden Sie mir sagen können, wie er heißt? fragte Mrs. Branican.
–Er heißt Zach Fren.
– Zach Fren?… Gut!… Ich danke Ihnen, Herr Andrew,« erwiderte Dolly Sie bestand nicht weiter darauf, etwas Näheres über den Seemann zu hören, nachdem sie jetzt seinen Namen kannte.
Aber seit jenem Tage kam ihr dieser Zach Fren nicht aus dem Sinn. Er war von nun an in ihrem Geiste unauslöschlich mit der Erinnerung an die Katastrophe in dem Golfe von San-Diego verknüpft. Diesen Zach Fren würde sie nach Beendigung seiner Fahrt wiederfinden… Sie würde erfahren, auf welchem Schiffe er sich befinde… wahrscheinlich ein Schiff aus dem Hafen von San-Diego… Dieses Schiff würde in einem halben Jahre… in einem Jahre zurückkommen… und dann… gewiß würde dann der »Franklin« vor ihm ankommen… John und sie würden zusammen Zach Fren
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