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Mistreß Branican

Mistreß Branican

Titel: Mistreß Branican Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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eines Festes oder einer Vorstellung… welche die Jahreszahl 1879 trugen… Und wenn Dolly auf solche Weise rasch erfahren würde, daß Mr. William Andrew und Dr. Brumley sie getäuscht hatten… daß ihre geistige Krankheit nicht einige Wochen, sondern vier Jahre gedauert hatte… und woraus sich ergeben mußte, daß der »Franklin« nicht vor zwei Monaten, sondern vor vier Jahren San-Diego verließ… daß John nicht mehr zurückkehren… daß sie ihn nicht mehr wiedersehen werde!…
    Mrs. Branican ging schnell den Hafenquais zu, als ihr auf einmal einfiel, an dem Hause Len Burker’s vorüberzugehen. Es wäre ja nur ein kleiner Umweg.
    »Arme Jane!« sagte sie leise.
    Als sie zu dem Hause in der Fleet Street kam, erkannte sie dasselbe kaum – was sie nicht nur überraschte, sondern auch lebhaft beunruhigte…
    Anstatt des engen, düsteren Hauses, das sie kannte, stand ein großes Gebäude in angelsächsischem Stile da; es hatte mehrere Stockwerke, hohe Fenster, im Erdgeschosse starke Gitter. Auf dem Dache erhob sich eine Fahnenstange, an deren Spitze eine Flagge mit den Initialen H. W. flatterte. Neben der Thüre war ein Schild, auf dem in goldenen Buchstaben stand:
     
    Harris Wadanton & Cie.
     
    Dolly glaubte zuerst, sie sei nicht in der richtigen Straße. Sie sah nach rechts und nach links. Nein! Sie war doch an der Ecke der Fleet Street, und das Haus der Jane Burker stand doch hier!…
    Dolly legte die Hand auf ihre Augen… Eine unerklärliche Ahnung preßte ihr das Herz zusammen… Sie konnte sich keine Rechenschaft von dem geben, was sie da sah…
    Das Geschäftshaus Mr. William Andrew’s lag nicht weit, und indem Dolly schnell dahinschritt, bemerkte sie es bei einer Biegung der Straße. Sie wollte zuerst dort eintreten… Nein, sie würde sich erst auf dem Rückwege hinbegeben… zuerst müßte sie die Familie Zach Fren’s aufsuchen… Sie glaubte, die Adresse des Matrosen in der Kanzlei der Schraubendampfer zu erfahren…
    Nachdenklich, mit unsicherem Blicke und gepreßtem Herzen setzte Dolly ihren Weg fort. Sie sah sich jetzt die Leute an, denen sie begegnete… Sie fühlte den unwiderstehlichen Drang in sich, auf diese Menschen zuzugehen, um sie zu fragen… was denn?… man würde sie für irrsinnig halten… Aber war sie sicher, daß ihr Geist sie nicht noch einmal verlassen werde?
    Mrs. Branican kam auf dem Quai an, und der Golf lag in seiner ganzen Breite vor ihr. Einige Schiffe ließen den Anker hinab, andere trafen Vorbereitungen zur Abfahrt. Einige Erinnerungen an dieses Leben und Treiben im Hafen erwachten in ihr! Es waren kaum zwei Monate verstrichen, wo sie sich an das Ende der Werfte begeben hatte… Damals hatte sie den letzten Gruß von John gesehen… Dann war der »Franklin« mit vollen Segeln um die Islandspitze gefahren… und war verschwunden…
    Nach einigen Minuten stand Dolly vor der Kanzlei der Schraubendampfergesellschaft, die sich in der Nähe der Landungsbrücke befand. Eben stieß eines dieser Schiffe ab, um zu der Lomaspitze zu fahren.
    Dolly sah ihm nach, indem sie das Fauchen des entströmenden schwarzen Rauches hörte.
    Eine traurige Erinnerung erfaßte sie da… der Gedanke an ihr Kind, dessen Leichnam dieses Meer nicht mehr herausgegeben hatte… Es erfaßte sie ein Schwindel… es drehte sich Alles um sie… sie wäre beinahe umgefallen…
    Nach einigen Augenblicken betrat sie die Kanzlei der Schraubendampfergesellschaft.
     

    Dolly glaubte zuerst, sie sei nicht in der richtigen Straße. (S. 94.)
     
    Als der Beamte die bleichen Züge dieser Frau bemerkte, rückte er ihr schnell einen Stuhl hin, indem er sagte:
    »Sind Sie unwohl, gnädige Frau?
    – Nein, mein Herr, erwiderte Dolly, es geht vorüber. Es war nur eine momentane Schwäche… ich fühle mich schon besser…
    – Bitte nur Platz zu nehmen. Das nächste Schiff geht in zehn Minuten ab.
    – Ich danke, mein Herr, erwiderte Mrs. Branican, doch bin ich nur gekommen, um eine Auskunft zu erhalten… Vielleicht können Sie mir dieselbe geben.
    – Bitte, gnädige Frau. Um was handelt es sich?«
    Dolly setzte sich und legte die Hand auf die Stirn, um ihre Gedanken zu sammeln, dann sagte sie:
    »Mein Herr, in Ihrem Dienste stand einst ein Matrose namens Zach Fren?
    – Ja, gnädige Frau, erwiderte der Beamte. Dieser Matrose ist zwar nicht lange bei uns gewesen, aber ich kann mich seiner ganz genau erinnern.
    – Nicht wahr, es ist doch der, welcher sein Leben für die Rettung einer Frau… einer unglücklichen

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