Mistreß Branican
belohnen… ihm diese Dankesschuld abzahlen… O, John würde bald zurückkehren… er würde auf sein Commando verzichten und dann würden sie sich nie mehr trennen!
»Warum werden sich an diesem Tage unsere Küsse, dachte sie, mit den Thränen vereinigen müssen?«
Neuntes Capitel.
Enthüllungen.
Unterdessen wünschte und fürchtete Mr. William Andrew jenes Gespräch, in dem Mrs. Branican von dem definitiven Verschwinden des »Franklin«, dem Untergange seiner Bemannung und seines Capitäns hören würde. Würde ihr Geist, der einmal erschüttert worden war, diesen neuen Schlag ertragen? Obgleich vier Jahre seit der Abreise Johns verflossen waren, wäre das nicht gerade so gewesen, als ob er erst gestern gestorben wäre? Die Zeit, welche so viel Schmerz geheilt hatte, war für sie nicht weitergeschritten.
So lange Dr. Brumley in dem Prospect-House verweilte, konnte man hoffen, daß keine Indiscretion begangen werden würde. Mr. William Andrew und Dr. Brumley hatten in dieser Hinsicht ihre Vorsichtsmaßregeln schon getroffen, indem sie Zeitungen und Briefe dem Prospect-House fernhielten. Aber Dolly fühlte sich stark genug, um auszugehen, und obwohl es ihr der Arzt noch nicht erlaubt hatte, konnte sie es nicht doch thun?… Auch durfte man nicht länger zögern, und Dolly mußte bald genug erfahren, daß man auf die Rückkehr des »Franklin« nicht mehr rechnen könnte.
Nach der Unterredung, welche sie mit Mr. William Andrew gehabt hatte, beschloß Mrs. Branican auszugehen, ohne ihre Bedienung in Kenntniß zu setzen, die sicher Alles gethan hätte, um sie davon abzubringen. Wenn auch dieses Ausgehen ihrem Gesundheitszustande nicht schaden konnte, so konnte es doch von den traurigsten Folgen für ihren Geist begleitet sein, wenn der Fall eintrat, daß ihr Jemand ohneweiters die Wahrheit sagte.
Indem Mrs. Branican das Prospect-House verließ, wollte sie einen Gang wegen Zach Fren’s machen.
Seitdem sie den Namen dieses Matrosen wußte, hatte sie nur einen Gedanken gehabt.
»Man hat sich seiner angenommen, sagte sie wiederholt zu sich… Ja!… Ein wenig Geld wird ihm gegeben worden sein, und ich habe nichts thun können… Dann ist Zach Fren vor fünf bis sechs Wochen ausgefahren… Aber vielleicht hat er Familie… eine Frau… Kinder… gewiß arme Leute! Es ist meine Pflicht, sie aufzusuchen, sie zu unterstützen… Ich werde sie besuchen.. und Alles thun, was in meinen Kräften steht.«
Wenn Mrs. Branican deswegen Mr. William Andrew gefragt hätte, wie würde dieser sie von einem Acte der Pflicht und Dankbarkeit haben abbringen können?
Am 21. Juni, Morgens 9 Uhr, verließ Dolly das Haus; Niemand hatte es bemerkt. Sie war schwarz gekleidet – die Trauer um ihr Kind, das, wie sie glaubte, vor zwei Monaten gestorben war. Nicht ohne tiefe Bewegung überschritt sie die Schwelle der Gartenthür – allein, was noch nie wieder vorgekommen war.
Das Wetter war schön und die Hitze schon ziemlich groß, wenn sie auch durch eine frische Brise gemildert wurde.
Mrs. Branican wandte sich den Vierteln der Oberstadt zu. Da sie ganz in Gedanken war, entgingen ihr zahlreiche Veränderungen und Neubauten in diesem Viertel, die sonst hätten ihre Aufmerksamkeit erregen müssen. Uebrigens waren nicht so große Neuerungen vorgenommen worden, die sie den Weg zu dem Golfe nicht hätten finden lassen.
Sie bemerkte auch nicht, daß sie zwei oder drei Personen, die sie kannten, mit großem Erstaunen ansahen.
Als sie an einer katholischen Kapelle vorüberging, die in der Nachbarschaft des Prospect-House stand, fühlte sie den Wunsch einzutreten.
Der Priester begann eben die Messe zu lesen, als sie in einer ziemlich finsteren Ecke niederkniete. Hier betete sie nun inbrünstig für ihr Kind, für ihren Gatten für Alle, die sie liebte. Die wenigen Kirchenbesucher hatten sie nicht bemerkt, und als sie die Kapelle verließ, waren jene schon fort.
Jetzt wunderte sie sich auf einmal über den Altar, der nicht derselbe war, vor welchem sie so oft ihre Andacht verrichtet hatte. Der viel schönere und prächtigere Altar stand in einem ganz anderen Theile der Kapelle, der ihr wie neugebaut vorkam. War denn die Kapelle vergrößert worden?
Das war aber nur ein flüchtiger Eindruck, der sofort wieder verschwand, als Mrs. Branican die Straßen dieses Handelsviertels hinabging. Aber bei jedem Schritte konnte ihr die Wahrheit in die Augen springen… ein Anschlagzettel mit dem Datum… ein Fahrplan der Dampfschiffe… die Ankündigung
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