Mistreß Branican
standen, sahen sie, daß er tief in den Felsen eingerammt war. Nur deshalb konnte er so lange stehen. Wie man schon durch das Fernrohr erkannt hatte, rührte dieser Mast – die äußerste Spitze des Bugspriets – von den Trümmern des Schiffes her. Der Fetzen, der an demselben hing, war nur ein Stück Segeltuch, ohne jedes Anzeichen der Nationalität. Auf Befehl des Capitäns schickten sich die beiden Matrosen an, den Mast zu fällen, als Zach Fren plötzlich ausrief: »Herr Capitän… Da… da sehen Sie!
– Was denn?
– Diese Glocke!«
An einem noch ziemlich festen Gerüste hing eine Glocke, deren Metall ganz mit Rost überzogen war. So hatten sich die Schiffbrüchigen nicht allein damit begnügt, den Mast zu errichten und die Fahne daran zu befestigen, sondern sie hatten an diesen Ort auch die Schiffsglocke gebracht, da sie hofften, sie könnte von einem vorüberfahrenden Schiffe gehört werden. Doch trug denn diese Glocke nach dem allgemeinen Gebrauche nicht den Namen des Schiffes?
Der Capitän trat auf das Gerüst zu, als er plötzlich erstarrt stehen blieb. Am Fuße desselben lagen die Reste eines Skelettes, oder, um besser zu sagen, ein Hause von Knochen, an denen nur noch einige Lumpen klebten. So waren also fünf Schiffbrüchige dagewesen. Vier waren gestorben und der fünfte war allein zurückgeblieben…
Dann hatte er eines Tages die Grotte verlassen, sich zur äußersten Spitze des Vorgebirges geschleppt, die Glocke geläutet, um sich einem Schiffe in der Ferne bemerkbar zu machen… er fiel aber wohl an diesem Platze nieder, um nicht mehr aufzustehen… Nachdem der Capitän den Matrosen befohlen hatte, ein Grab für die Gebeine auszuheben, gab er Zach Fren ein Zeichen, ihm zu folgen, um die Glocke zu prüfen..
Auf dem Metalle las man deutlich folgenden Namen und folgende Ziffern:
Franklin
1875.
Fünfzehntes Capitel.
Ein Lebender.
Während der »Dolly-Hope« seine zweite Expedition durch die See von Timor unternahm und sie unter den geschilderten Umständen beendigte, brachten Mrs. Branican, ihre Freunde und die Familien der verschwundenen Mannschaft lange Wochen ängstlicher Erwartung zu. Wie viel Hoffnungen wurden dem von dem »Californian« aufgefischten Holzstücke beigelegt, das sicher dem »Franklin« gehörte! Würde es dem Capitän Ellis gelingen, die Trümmer des Schiffes auf einer der Inseln oder einem Punkte der australischen Küste zu finden? Würde er John Branican, Harry Felton und die zwölf eingeschifften Matrosen finden? Würde er endlich einen oder mehrere der Ueberlebenden nach San-Diego zurückbringen?
Seit der Abfahrt des »Dolly-Hope« waren zwei Briefe des Capitäns eingetroffen. In dem ersten theilte er die vergebliche Durchforschung der Gewässer von Timor bis zu der äußersten Grenze des Meeres von Arafoura mit; in dem zweiten, daß die Inseln Melville und Bathurst besucht wurden, ohne die geringste Spur von dem »Franklin« zu finden. Zu gleicher Zeit wurde Mrs. Branican mitgetheilt, daß die Fahrt noch bis zu dem westlichen Theile von Australien durch die verschiedensten umliegenden Inselgruppen fortgesetzt werde. Dann würde, wenn auch die kleinen Sundainseln besucht worden wären, das Schiff wieder heimkehren und damit wäre jede Hoffnung geschwunden.
Seitdem traf monatelang kein weiteres Schreiben ein und nun hoffte man täglich in San-Diego, daß die Ankunft des Schiffes werde signalisirt werden. Unterdessen ging das Jahr 1882 vorüber. Obwohl Mrs. Branican keine weiteren Nachrichten von dem Capitän Ellis erhalten hatte, so beunruhigte sie sich doch nicht über das Schicksal des »Dolly-Hope«, weil die Postverbindungen, besonders im Stillen Ocean, sehr schlecht sind.
Als auch schon der Februar herankam, da fand denn auch Mr. William Andrew diese Expedition sehr lang dauernd. Jeden Tag begaben sich einige Personen auf die Islandspitze, indem sie hofften, das Schiff in Sicht zu bekommen, denn die Seeleute von San-Diego hätten es gleich an seinem Gange erkannt.
Am Morgen, den 27. März, erschien endlich der »Dolly-Hope« auf der Höhe und legte nach einer Stunde im Hafen von San-Diego an. Diese Neuigkeit hatte sich schnell in der Stadt verbreitet und die Leute eilten von allen Seiten dem Hafen zu.
Mrs. Branican, Mr. William Andrew und einige andere Freunde begaben sich sofort an Bord des »Dolly-Hope«. In einigen Augenblicken hatten sie Alle den Erfolg der Expedition erfahren: An der westlichen Grenze der See von Timor, auf der Insel Browse war der
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