Mistreß Branican
Godfrey? sagte sie, ihn bei der Hand nehmend.
– Er ist es, und was will er? murmelte Zach Fren ärgerlich, denn die Anwesenheit dieses Burschen schien ihm sehr lästig zu fallen.
– Was ich will? erwiderte Godfrey. Ich will Ihnen folgen, Mistreß, so weit Sie gehen, ich will mich nie mehr von Ihnen trennen… Ich will mit Ihnen den Capitän Branican suchen, ihn finden, ihn nach San-Diego zurückbringen, ihn seinen Freunden… seinem Vaterlande wiedergeben.«
Dolly konnte sich nicht fassen. Das Gesicht dieses Kindes… es war John… ihr geliebter John, den sie im Geiste sah.
Godfrey lag auf den Knien, erhob die Hände und bat flehentlich:
»Nehmen Sie mich mit… Mistreß, nehmen Sie mich mit!
– Komm, mein Kind, komm!« rief Dolly und zog ihn an ihr Herz.
Fünftes Capitel.
Durch die Provinz Südaustralien.
Am 12. September setzte sich die Karawane in Bewegung. Die Witterung war schön, die Hitze nicht groß, denn einige leichte Wolken milderten die Gluth der Sonnenstrahlen. Unter dem 31. Breitegrade und in dieser Jahreszeit stieg die Hitze im Innern des Landes schon an, und die Forschungsreisenden wissen nur allzugut, wie furchtbar sie wird, wenn weder Regen noch Schatten sie in diesen Ebenen mildern.
Es war nur zu bedauern, daß Mrs. Branican die Reise nicht fünf oder sechs Monate früher antreten konnte, denn während des Winters wäre sie viel erträglicher gewesen. Wenn auch das Thermometer in dieser Jahreszeit manchmal bis zum Gefrierpunkt sinkt, so ist doch die Kälte weniger zu fürchten als die Hitze, welche die Quecksilbersäule im Schatten bis über vierzig Grad treibt. Vor dem Monat Mai lösen sich die Dünste in reichliche Regengüsse auf, wodurch sich die Cisternen füllen, so daß man nicht tagelang reisen muß, ohne auf Wasser zu stoßen. Die Wüste Australiens ist gegen die Karawanen grausamer als die Sahara, denn letztere hat doch Oasen.
Aber Mrs. Branican hatte weder in der Zeit, noch in der Richtung eine Wahl. Sie brach auf, weil sie aufbrechen mußte, sie wollte diesen furchtbaren Strapazen trotzen, weil sie ihnen trotzen mußte. Den Capitän John aufzufinden, ihn den Eingebornen zu entreißen, das verlangte keinen Aufschub, und sollte sie dabei zu Grunde gehen.
Die Karawane, die seit der Ankunft Godfreys aus einundvierzig Personen bestand, marschirte in folgender Weise. An der Spitze die fünfzehn Eingebornen, bekleidet mit einer Hofe und einer Jacke, auf dem Kopfe einen Strohhut, die Füße nach ihrer Gewohnheit nackt. Sie waren mit einem Gewehre, einem Revolver und einem Schwerte bewaffnet und bildeten die Avantgarde unter dem Befehle eines Weißen, der selbst wieder Kundschafter war. Hinter ihnen zogen zwei Pferde einen Buggy, worin Mrs. Branican und ihre Dienerin Platz genommen hatten. Ein Segeltuch, das weggenommen werden konnte, schützte sie gegen Regen und Sturm. In einem zweiten Buggy saßen Zach Fren und Godfrey. Wenn auch jener zuerst nicht sehr erfreut war über die Ankunft des Burschen, so schloß er doch bald Freundschaft mit ihm, da er für Mrs. Branican so große Anhänglichkeit bewies. Hierauf kamen die vier Ochsenwagen, an den Seiten und rückwärts befanden sich die Männer des Tom Marix, die ganz wie ihr Befehlshaber gekleidet waren. Sie hatten dunkle Hosen, hohe Stiefeln, um die Taille einen Gürtel, auf dem Kopfe einen weißen Leinenhelm, und um den Oberkörper einen gerollten leichten Kautschukrock; bewaffnet waren sie wie die Eingebornen. Diese Leute waren zu Pferd und recognoscirten entweder den Weg oder sahen sich nach einem Lagerplatz für die Nacht um.
Auf solche Weise legte die Karawane täglich zwölf bis dreizehn englische Meilen zurück, manchmal durch dichte Wälder, wo die Wagen nur langsam vorwärts kamen. Abends übernahm Tom Marix die Bewachung des Lagers, und bei Sonnenaufgang brach man wieder auf.
Die Strecke zwischen Farina und Alice-Spring – ungefähr fünfhundertachtzig Kilometer oder dreihundertfünfzig Meilen – bot weder ernste Gefahren noch große Anstrengungen, und würde wahrscheinlich etwa dreißig Tage beanspruchen. Da man nun hierauf die Karawane angesichts der Wüste mit Kameelen ergänzen mußte, so würde man vor dem ersten Drittel des Monats October nicht weiter kommen.
Als die Expedition Farina verließ, zog sie mehrere hundert Meilen dem neuen Eisenbahnbau entlang; dann fuhr sie neben der Telegraphenlinie weiter. Da Tom Marix neben dem Wagen der Mrs. Branican ritt, fragte sie ihn über diese Linie.
»Sie wurde im
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