Mit 11 erobert man die Welt
Anlagen hinüber, über die sich jetzt schon das abendliche Dunkel senkte.
Endlich erschien ein junger Mann, der sich als Assistent des Direktors vorstellte und sich anbot, sie zu begleiten. „Und wo, meinen Sie, sollen wir suchen? Haben die jungen Herren besondere Vorlieben?“
„Ich weiß schon, wo!“ verkündete Katja und lief vor den beiden Männern her. Trotz der hereinbrechenden Dunkelheit fand sie ihren Weg schnell. Vor einem niedrigen Holzzaun blieb sie stehn. „Hier!“
„Bei den Hängebauchschweinen?“ fragte Papi entsetzt.
„Das sind ihre Lieblinge. Markus! Fips! Seid ihr da? Meldet euch doch!“
In einer Ecke des - einer übergroßen Hundehütte ähnlichen - Offenstalles rumorte es. Auf allen vieren krochen zwei dreckverklebte kleine Gestalten heraus, von denen man allenfalls sagen konnte, daß es sich nicht um Hängebauchschweine handelte.
„Kriegen wir jetzt Haue?“ wollte Markus wissen, ehe er sich näherte.
„Papi und Mami hauen nie!“ sagte Katja streng, um vor dem fremden jungen Mann keinen Irrtum aufkommen zu lassen.
„Und solange ihr derartig stinkt, sowieso nicht“, fügte Papi hinzu. „Zur Strafe sollte ich euch eigentlich hierlassen.“
Bei diesem Satz waren Markus und Fips blitzschnell an seiner Seite und faßten nach seinen Händen. Papi verabschiedete sich seufzend von dem jungen Begleiter - und vorsichtshalber, ohne ihm die Hand zu geben.
Im Auto fand er eine alte Zeitung, die er auf dem Rücksitz ausbreitete, ehe die Zwillinge einsteigen durften.
Die Fahrt verlief schweigsam. Katja konnte sich nicht erinnern, ihren Vater je so fassungslos gesehen zu haben. Sei es nun über die Entschlossenheit und den Einfallsreichtum der Zwillinge, sei es über ihre Vorliebe für Hängebauchschweine.
Ohne Abendessen ins Bett und eine Woche lang keinen Nachtisch und keine Süßigkeiten, lautete Mamis Strafe. Markus und Fips nickten erleichtert und verzichteten sogar auf die übliche Wasserschlacht beim Baden.
Als Katja zwei Stunden später mit den Eltern noch für eine Weile im Wohnzimmer zusammensaß, sah Mami sie plötzlich liebevoll an.
„Über all der Aufregung habe ich ganz vergessen, dir zu danken, Liebes! Ohne deine Hilfe würden wir vermutlich noch jetzt verzweifelt nach den Zwillingen suchen!“
„Ja“, meinte Papi, „ich finde, daß sie sich eine Belohnung verdient hat. Die Idee mit den Hängebauchschweinen..., ich wäre nicht im Traum darauf gekommen, daß Markus und Fips dort sein könnten!“
Katja wurde rot vor Freude. „Ja, ich bin froh, daß mir das rechtzeitig eingefallen ist. Und das mit der Belohnung, weißt du..., ich bin ja heute schon toll verwöhnt worden, mit all den neuen Klamotten.“
„Das war dringend nötig“, widersprach Mami. „Du konntest unmöglich weiter so herumlaufen, in all den zu klein gewordenen Sachen! Nein, nein, Papi hat recht. Laß uns mal überlegen...“ Sie sah Papi verschwörerisch an, und er nickte ihr verstohlen zu. „Was hältst du von Ballett-Stunden? Wo du derartig schnell wächst, wäre es auch für deine Haltung und deine körperliche Kräftigung von Vorteil.“
„Eben!“ bestätigte Papi. „Ballett ist für ein Mädchen da viel geeigneter als Kraftsport in einem Fitneßcenter zum Beispiel.“
„Wir müßten nur eine gute Schule finden, die nicht zu weit entfernt ist“, fügte Mami hinzu. „Aber das wird sich ja wohl machen lassen.“
Katja starrte ungläubig von einem zum anderen. Ballettschule! Hatte sie richtig gehört? Sie waren einverstanden! Katja fiel erst Mami, dann Papi um den Hals.
„Manno!“ rief sie aus tiefstem Herzen. „Man sollte nicht glauben, wozu dreizehn Zentimeter Länge mehr gut sein können!“
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