Mit 13 hat man täglich Ärger
waren. Plötzlich klappte der Klassenlehrer das Buch mit
einem übermütigen Knall zu und verkündete: „Ich habe eine gute Nachricht für
euch. Oder sagen wir lieber: für uns. Das Los, welche Klasse in diesem Jahr ins
Skilager fahren darf, ist auf uns gefallen, und ich habe...“
Er konnte den Satz nicht
beenden, der Rest ging in einem allgemeinen Freudengeheul unter.
Katja nahm die Mitteilung mit
gemischten Gefühlen auf. Skilaufen gehörte für sie zu den schönsten Dingen auf
der Welt. Papi war ein sehr guter Skiläufer und ein großartiger Lehrer für
seine Töchter gewesen. Aber mit der ganzen Klasse verreisen? Tag und Nacht mit
diesen Mädchen zusammen sein müssen? Dann doch lieber auf das Skifahren
verzichten, dachte Katja. Und während Herr Seifert sich an der Tafel über die
unregelmäßigen Verben im Englischen ausließ, grübelte Katja, wie sie sich vor
der Skireise drücken könnte.
Als sie in der Pause die Treppe
zum Hof hinunterging, war plötzlich Petra neben ihr. „Du kannst sicher prima
Ski laufen, nicht wahr?“
„Wie kommst du darauf?“ fragte
Katja überrascht.
„Ich weiß nicht — du bist so
der Typ. Na ja und dann: Kanada...“
„Das stimmt. In Kanada hat mir
mein Vater den ersten Unterricht gegeben. Mannometer, hab ich mich zuerst
angestellt. Ich glaube, Papi hat echt daran gezweifelt, daß ich seine Tochter
bin! Er ist nämlich ein Klasse-Skiläufer, weißt du...“
Petra lachte. „... und konnte
sich natürlich gar nicht daran erinnern, daß er sich am Anfang genauso dumm
angestellt hat, wie du, stimmt’s?“ Sie seufzte. „Ich wünschte, ich dürfte mit
ins Skilager. Meine Mutter stellt sich immer so an, von wegen, zu gefährlich“
und so. Aber diesmal muß sie’s erlauben. Schließlich gehört es zum regulären
Schulunterricht.“
Petra war nachdenklich
stehengeblieben, zwischen ihren Augenbrauen bildete sich eine steile Falte. Die
aus den oberen Stockwerken hinunterdrängenden Schülerinnen schoben und
schubsten, aber Petra stand wie angenagelt am Treppengeländer.
Jetzt oder nie! dachte Katja.
Man müßte ganz beiläufig fragen: Du, wir geben Samstag eine Party, hast du Lust
zu kommen? Aber ehe sie diesen Satz über die Lippen zu bringen wagte, hatten
Petras Verehrerinnen ihr Idol entdeckt und zogen sie die Treppe hinunter.
Katja biß sich auf die Lippen.
Wie gut, daß sie nichts gesagt hatte! Wahrscheinlich konnte Petra ohne ihre
Anbeterinnen gar nicht leben. Um keinen Preis hätte Katja zu der Gruppe gezählt
werden mögen.
Am nächsten Nachmittag fuhr
Katja mit Mami zur Ballettschule Künzel. Sie betraten ein mehrstöckiges
Mietshaus und stiegen ins Kellergeschoß hinunter. Am Ende eines langen, schwach
beleuchteten Ganges, dessen Wände mit Theaterplakaten und Ballettfotos beklebt
waren, betraten sie einen geräumigen Warteraum mit rotem Teppichboden und
bequemen Sesseln.
Hinter einem Schreibtisch in
der rechten Ecke saß eine junge Dame im Trainingszeug, die blonden Haare zu
einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und blätterte in Karteikarten. Hinter den
geschlossenen Türen ertönten Kommandos und gedämpfte Musik.
„Bitte kommen Sie doch herein!“
Die Pferdeschwanz-Dame erhob sich und ging Mami entgegen.
„Frau Steinebach, ja? Ich bin
Elfie Krüger“, stellte sie sich vor. „Ich gebe den Unterricht in Akrobatik und
Jazzgymnastik.“
Während Mami sich mit Fräulein
Krüger über Katjas Vorkenntnisse im Ballett unterhielt, betrachtete Katja die
Fotos an den Wänden, auf denen erfolgreiche Tänzer sich mit schwungvollen
Widmungen für ihre Lehrjahre in der Ballettschule Künzel bedankten.
Neben Katja wurde eine Tür
geöffnet. Eine Schar acht- bis neunjähriger Ballettratten drängte hinaus und
lief den Gang hinunter zur Garderobe. Hinter ihnen erschien eine zierliche Frau
mit grauem Pagenkopf — Frau Künzel.
Sie begrüßte erst Mami und gab
dann Katja lange die Hand, wobei sie sie prüfend mit freundlich-hellen Augen
betrachtete, als könne sie in Katjas Gesicht deren ganze Lebensgeschichte
lesen. Bei all ihrer Zierlichkeit — sie erinnerte Katja an Großmutters
Porzellanpüppchen — hatte sie eine so mütterliche Ausstrahlung, daß Katja
sofort Vertrauen zu ihr faßte.
„Liiiebste Frau Künzel — darf
ich einen ganz kleinen Augenblick stören?“
Hinter Katja war eine schlanke,
dunkelhaarige Frau aufgetaucht, die einen Stapel Fotos in der Hand trug und
aufdringlich mit ihren Autoschlüsseln klapperte.
„Entschuldigen sie mich
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