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Mit 50 hat man noch Träume

Mit 50 hat man noch Träume

Titel: Mit 50 hat man noch Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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rot geworden
war, und atmete tief durch. Sie fragte sich, wann sie das letzte Mal in Männeraugen
gesehen hatte, die in ihr das Gefühl hervorriefen, sie sei gerade einmal 17 Jahre
alt. Ein junges Mädchen, das bereits zu zittern begann, wenn ein Mann sie nur länger
als drei Sekunden anschaute. Die Unsicherheit, die Johannes Friers Nähe in ihr auslöste,
irritierte sie und versetzte ihren Körper in Alarmbereitschaft. Ein feiner, kaum
wahrnehmbarer Geruch ging von ihm aus, den sie mochte. Er weckte in ihr die Erinnerung
an feuchten Waldboden, über dem ein Hauch von duftenden Kiefernnadeln hing.
    Bea bekam
eine Gänsehaut. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und verschaffte sich auf diese
Weise Distanz. Seine Arme lagen angewinkelt vor ihm auf dem Tisch, die Hände hatte
er übereinandergelegt. Während er von sich erzählte, hatte sie ausreichend Zeit,
ihn zu betrachten. Seine Hände waren kräftig und sehnig, ihre Haut war rau und wies
Risse auf, was nicht verwunderlich war, denn inzwischen wusste sie, dass er Waldarbeiter
war. Er sprach von der Ahrregion, davon, wie sehr er die Gegend liebte, die Weinberge,
die grünen Hügel und die kantigen Schieferfelsen. Auch die Menschen, die hier lebten,
ihre unverstellte, gerade Art, ihre Herzlichkeit. Ihr fiel auf, dass seine Augen
während des Erzählens zu leuchten begannen, und während sie ihm zuhörte, versuchte
sie, sich ein Bild von ihm zu machen und das, was sie bislang von ihm wusste, in
Übereinstimmung zu bringen. So ganz gelang es ihr nicht, sie hatte Widersprüchlichkeiten
entdeckt, die sie aufmerken ließen. Einerseits hatte er erzählt, er sei Waldarbeiter,
und in der Tat besaß er die entsprechende Figur, groß und kräftig, auch kleidete
er sich einfach und schlicht. Andererseits sprachen seine markanten, dennoch sensiblen
Gesichtszüge und seine Ausdrucksweise davon, dass er einen Bildungshintergrund besaß,
der nicht zu dem eines Waldarbeiters passte. Darüber hinaus schien er Humor zu haben,
er hatte sie schon mehrfach an diesem Abend zum Lachen gebracht.
    Bea nahm
noch einen Schluck Wein, löste ihren Blick von seinem Gesicht und ließ ihn über
den Rhein und das gegenüberliegende Ufer schweifen, das von grünen Wiesen gesäumt
war. Sie fragte sich, was an ihm es sein mochte, das sie begeisterte und gleichzeitig
diese Unruhe und auch Angst in ihr auslöste, aber sie fand keine Antwort darauf.
Es war etwas, das sich nicht in Worte fassen ließ.
    Seit dem
Picknick waren sie sich nähergekommen, und inzwischen duzten sie sich. Jetzt allerdings,
wo sie zusammen im ›Kap am Südkai‹ am Rheinauhafen saßen, diesem neuen Kölner Städtebaukomplex,
der mit seinen Kranhäusern, den teuren Eigentumswohnungen und Büroetagen zum Inbegriff
moderner Stadtarchitektur geworden war, waren sie zum ersten Mal miteinander allein.
Zufrieden und satt vom Fisch, der in einer feinen Bärlauchsauce mit Graupenrisotto
serviert worden war, hatten sie beinahe eine ganze Flasche Wein geleert. Bea spürte
die Wirkung, und sie genoss sie. Der Wein entspannte sie zusehends.
    »Euer Picknick
war klasse«, sagte Johannes und fügte lachend hinzu: »Ein Glück, dass ich an dem
Tag oben in Plittersdorf zu tun hatte. Sonst wären wir uns nicht begegnet und säßen
heute vermutlich nicht hier.«
    »Nein, aber
vielleicht hättest du ja auch den Weg zu uns ins ›Ahrstübchen‹ gefunden …«
    Er lächelte.
»Ich wollte tatsächlich kommen, um dich wiederzusehen, aber das Schicksals-Picknick
kam mir zuvor.«
    Bea strich
sich eine Strähne ihres dunkelbraunen Haares aus dem Gesicht und dachte daran, dass
sie unbedingt einmal wieder zur Kosmetikerin gehen sollte. Ein bisschen was für
die Schönheit zu tun hatte noch nie geschadet, und das Kosmetikstudio Quédec in
der Arndtstraße in Weiden, ganz in der Nähe des Einkaufscenters, gehörte zu den
Geschäften, in denen die Inhaberin, eine Französin, sich noch Zeit für ihre Kundinnen
nahm. Sie behandelte sie nach allen Regeln der Kunst, reinigte die Haut, arbeitete
Ampullen mit kostbaren Elixieren darin ein, verabreichte wunderbar entspannende
Gesichtsmassagen und zu guter Letzt trug sie meist noch eine Maske auf, die dann
bei beruhigender, leiser Musik einwirken konnte. Bea fühlte sich nach einem Besuch
dort jedes Mal wie neugeboren. Gleich morgen würde sie einen Termin vereinbaren.
    »Weißt du
was?«, fragte Johannes in ihre Gedanken hinein.
    »Hm?«
    »Ich bin
gern mit dir hier.«
    Bea wusste
nicht, was sie darauf erwidern

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