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Mit 50 hat man noch Träume

Mit 50 hat man noch Träume

Titel: Mit 50 hat man noch Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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» Es wäre
doch gelacht, wenn sich da nicht etwas machen lässt.«

36
     
    Seine Stimme hatte sich angehört,
als ob er es ernst meinte. Er wollte den Neuanfang. Und er hatte ihr keine Vorwürfe
gemacht, obwohl er völlig umsonst nach Barbados geflogen war. Langsam stellte Ulrike
das Telefon zurück auf die Station und trat hinaus in den Garten, wo sie ihren Lieblingsplatz,
die alte Holzbank, ansteuerte. Sie betrachtete die Blumenrabatten, ohne sie jedoch
richtig wahrzunehmen, und selbst den Duft des Lavendels, an dem sie sich sonst frühmorgens
berauschte, nahm sie kaum wahr. Mr. Fred, der ihr gefolgt war, ließ sich mit schweren
Gliedern neben ihr nieder, und aus lauter Gewohnheit strich sie ihm über den Kopf.
    Das Versteckspiel
hatte ein Ende, und es war gut so. Die Freundinnen hatten recht, sie musste sich
endlich der Auseinandersetzung stellen. Sie fragte sich, warum Claus um die halbe
Welt gereist war, um nach ihr zu suchen. Die Angst davor, sie zu verlieren? Das
altvertraute, bequeme Leben? Oder war es die Angst davor, vielleicht nie wieder
von einem Menschen so geliebt zu werden wie von ihr? Ulrike überlegte, ob er es
ihr eines Tages vielleicht sagen würde.
    Ihr kamen
die lauen Sommerabende in den Sinn, an denen sie durch die Kölner Altstadt gebummelt
waren und in einer der vielen Kneipen am ›Alten Markt‹ ein Kölsch getrunken hatten.
In stillem Einvernehmen, unaufgeregt, wie Geschwister. Irgendwann war er ihr als
Mann abhandengekommen, aber sie wusste nicht, wann. Er hatte aufgehört, sie zu begehren,
und sie hatte aufgehört, sich um ihn zu bemühen. Er hatte sich den Sex woanders
geholt, und sie? Sie hatte seine Hemden gebügelt.
    Eins stand
fest: An das alte Leben konnte und würde sie nicht mehr anknüpfen. Und wenn sie
es noch einmal miteinander versuchen wollten, musste sich einiges verändern.

37
     
    Hubertus Hohenstein stützte den
Kopf in die Hände. Sie machten es ihm wirklich nicht leicht. Er seufzte. Nun hatte
die Verbandsgemeinde schon in die Trickkiste gegriffen und die Parkplatzgebühr drastisch
erhöht, und was war passiert? Nichts. Die Wangs hatten nicht einmal mit der Wimper
gezuckt, sondern stillschweigend die höhere Forderung akzeptiert.
    Er kratzte
sich am Kopf, irgendwie wurde er den Eindruck nicht los, es habe ihn eine Mücke
gestochen. Ein bisschen früh im Jahr, aber es war lange feucht gewesen, die Warmwetterlage
hatte zu fröhlichem Brüten geführt.
    Ein Blick
auf die Uhr zeigte ihm, dass es gleich wieder so weit war: Bürgersprechstunde. Er
überlegte, wie lange er den Job noch machen musste und zählte nach. Insgesamt lagen
noch 14 Monate Amtszeit vor ihm. Wenn er könnte, würde er einfach Schnipp machen, dann wäre es jetzt schon vorbei. Der Bürgermeister schloss die Augen. Dass
dieses Amt sich als so schwierig erweisen würde, hätte er sich nie träumen lassen.
Täglich standen Journalisten vor der Tür oder bombardierten ihn mit Anrufen. Seit
dem Tempelbau und dieser Graffiti war Altenahr zum Rummelplatz der Medien geworden,
und er fuhr mittendrin Karussell. Seine Sprechstunde war überfüllt, aufgebrachte
Bürger beschwerten sich nicht nur hier, sondern zu jeder Tages- und Nachtzeit auch
bei ihm zu Hause, neuerdings lief nun nur noch der Anrufbeantworter.
    Hubertus
Hohenstein holte tief Luft, er hoffte, dass sich niemand im Ort zu unüberlegten
Taten hinreißen ließ. Volker Stur hatte lauthals mit Konsequenzen gedroht, sollte
der Tempel stehenbleiben. Der Bürgermeister überlegte, was Bens Vater im Schilde
führte, und fühlte, wie sich sein Magen zusammenzog. Bei diesem Stress war es kein
Wunder, dass er Schmerzen hatte. Vorsichtig strich er sich kreisförmig mit beruhigenden
Bewegungen über den Oberbauch und traf eine Entscheidung: Demnächst würde er nachmittags
auf sein Stück Kuchen verzichten. Er stöhnte leicht auf. Wenn ihm jedoch auch noch
der Genuss seines halben Liters Rotwein am Abend verleidet sein sollte, würde er
Neuwahlen beantragen.
    Mit einem
Blick auf seine Fingernägel stellte er fest, dass etwas Blut darunter klebte, vermutlich
rührten sie vom Kratzen an den Mückenstichen. Versonnen betrachtete er den rotschwarzen
Rand. So sehr er den Unmut der Bevölkerung über die Chinesen nachvollziehen konnte,
so wenig waren ihm die unter der Oberfläche brodelnden Aggressionen mancher Einwohner
geheuer. Blut durfte während seiner Amtszeit hier nicht fließen. Er sah aus dem
Fenster hinaus auf das Plakat mit dem Tempel, das direkt neben der

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