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Mit 50 hat man noch Träume

Mit 50 hat man noch Träume

Titel: Mit 50 hat man noch Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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Marienstatue
an der Mauer hing. Das Plakat war inzwischen übersprüht worden, aber es hing noch,
und die weiterhin erkennbaren, in den Himmel ragenden Dachspitzen leuchteten ihm
wie zur Mahnung ziegelrot entgegen.
    Nachdenklich
strich er sich über die Bartstoppeln. Er dachte daran, dass er heute nicht einmal
Zeit gehabt hatte, sich zu rasieren.
    Seit die
Presse, allen voran Johannes Frier, fast täglich berichtete, bekamen die Kölnerinnen
für ihre Unterschriftenaktion immer mehr Rückenwind. Auch der Verein Gegen Rechts machte sich für sie stark sowie viele Jugendliche, darunter Ben Stur, der deswegen
mit seinem Vater heftige Auseinandersetzungen hatte. Ihm war zu Ohren gekommen,
dass Ben und er sich beinahe geprügelt hätten. Hubertus Hohenstein runzelte die
Stirn. Es war schon eigenartig, wie aus einem ruhigen, beschaulichen Ort innerhalb
weniger Tage und Wochen ein Hexenkessel werden konnte. Die Einwohner waren in Aufruhr,
aber es gab ein physikalisches Grundprinzip, das sich scheinbar auf alles und jeden
anwenden ließ, dachte er. Wurde der Druck zu groß, musste er entweichen. Wenn es
dabei zu Explosionen kam, sollte man sich erst einmal in Deckung bringen. Hinterher
konnte man dann immer noch das Ausmaß des Schadens betrachten, die Opfer beweinen
und den Dreck beseitigen.
    Marianne
war auch aufgeregt. Das Geschmiere an der Wand mit dem Totenkopf war ihr eindeutig zu viel gewesen. Seither ergriff seine Frau immer häufiger Partei für die
Chinesen, und im Grunde konnte er es ihr nicht verdenken. Allerdings fand er es
beunruhigend, wie sie nach und nach unter den Einfluss der Kölnerinnen geriet, mittlerweile
schien sie die Frauen für ihr Engagement regelrecht zu bewundern. Es würde ihn nicht
wundern, wenn sie demnächst sogar auf die Straße ging, um Unterschriften zu sammeln.
    Noch drei
Wochen. Hubertus Hohenstein blätterte in seinem Kalender, während er darauf horchte,
wie schwere Busse an seinem Fenster vorbeidonnerten, ein inzwischen vertrautes Geräusch.
Er sah auf. Hinter den Busscheiben sah er wie immer Chinesen, und für den Bruchteil
einer Sekunde gewann er den Eindruck, als würden sie auf ihn herabblicken und ihn
auslachen.
    Noch drei
Wochen. Dann würde der Rechtsausschuss der Kreisverwaltung Ahrweiler entscheiden,
ob dem Widerspruch der Familie Wang gegen den Abriss des Tempels stattgegeben würde
oder nicht.

38
     
    Komm!
    Vor zwei
Tagen hatte Johannes ihr diese Aufforderung per sms geschickt, und nun stapfte sie
in Wanderschuhen neben ihm durch den Wald, der angenehme Kühle spendete. Es war
warm geworden in den letzten Tagen, und die Umstellung ihrer Speise- und Getränkekarte
im ›Ahrstübchen‹ schien erste Früchte zu tragen. Zumindest die Touristen fanden
immer häufiger den Weg auf ihre Terrasse mit den farbenfrohen Blumen und der großen
Birke. Ihre Rechnung schien also aufzugehen. Die Küchenkräuter verströmten einen
betörenden Duft, und wenn man unter dem Blätterdach des Baumes saß, auf die Ahr
blickte, Flammkuchen aß und an einem Glas Wein nippte, gab es auf der ganzen Welt
keinen Platz, der schöner sein könnte, fand Bea.
    Johannes,
sie nannte ihn lieber Johannes statt Jo, hatte einiges dazu beigetragen, dass das
›Ahrstübchen‹ sich wachsender Beliebtheit erfreute. Dank seiner Kontakte zum ›Kölner
Blick‹ war ihr Restaurant dort im Rahmen einer Wanderroute empfohlen worden, und
der Artikel hatte offensichtlich den einen oder anderen dazu bewegt, bei ihnen einzukehren.
Bea hatte erst einen Moment überlegt, ob sie überhaupt freinehmen konnte, um sich
mit ihm zu treffen, aber letztendlich hatten die Freundinnen sie nicht lange überreden
müssen.
    Die Frage,
was ziehe ich an, war wieder wichtig geworden in ihrem Leben. Innerhalb von 30 Minuten
hatte sie vor dem Spiegel mindestens fünf Outfits ausprobiert. Entschieden hatte
sie sich schließlich für eine dunkelblaue Jeans, einen braunen Gürtel mit großer
Schnalle und eine kurzärmelige, weiße Bluse. Bis auf den schweren goldenen Armreif,
den sie von ihrer Mutter geerbt hatte, hatte sie auf Schmuck verzichtet, und nachdem
sie noch einmal mit der Bürste durch ihr halblanges braunes Haar gefahren war, hatte
sie sich ins Cabrio geschwungen und war davongebraust.
    Er hatte
nichts an Attraktivität verloren. Sein markantes Profil und die Kraft, die sein
Körper ausstrahlte, irritierten sie. Sie wandte den Blick ab, hin zu den Büschen
und Bäumen, und stellte ihm Fragen. Und Johannes erklärte ihr den Wald. Er

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