Mit 50 hat man noch Träume
kleinen Locken und kitzelten ihre Wange.
Der Duft
seiner Haut war morgens am intensivsten, und sie sog ihn tief in sich ein. Ein Moment
für die Ewigkeit. Sie hielt die Augen geschlossen, seine Atemzüge gingen gleichmäßig,
der Brustkorb hob und senkte sich in immer demselben Rhythmus, und Bea spürte, wie
sie wieder schläfrig wurde.
Gestern
Abend, als sie von Frank weggefahren war, hatte sie auf einmal eine große Sehnsucht
nach Johannes verspürt, und kurz entschlossen bei ihm angerufen. Eine gute Stunde
später war sie bereits bei ihm gewesen. Lange hatten sie auf seiner Terrasse gesessen,
Wein getrunken, von ihrem früheren Leben erzählt und die Milchstraße betrachtet,
die sich als heller Streifen über ihren Köpfen am Himmel abzeichnete. Und als sie
dort beieinandersaßen, in eine Decke gehüllt, hatte sie ganz deutlich gespürt, wie
viel vertrauter und harmonischer sein Haus verglichen mit Franks teurer Designerwohnung
war. In Johannes’ vier Wänden fühlte sie sich wohl, sie strahlten eine Wärme aus,
die sie der Coolness von Franks Wohnung eindeutig vorzog. Und sie hatte erkannt,
dass die beschauliche Eifel inzwischen ein richtiges Zuhause für sie geworden war.
Er räkelte
sich, und Bea öffnete seufzend ein Auge, am liebsten hätte sie noch Stunden so gelegen.
Es war schön, bei ihm zu sein.
»Guten Morgen«,
flüsterte er mit weicher Stimme und gab ihr einen Kuss. Sie spürte, wie sie begann,
jegliches Zeitgefühl zu verlieren.
Dann klingelte
ihr Handy. Wieder und wieder, bis sie es schließlich mit der Hand vom Boden fischte
und den Anruf entgegennahm.
Caro war
am Apparat. »Bea, wo bist du? Noch in Köln?« Ihre Stimme klang aufgeregt.
»Nein, in
Hürnig.«
Caro stockte.
»Tut mir leid, wenn ich dich störe, aber wir haben hier Land unter. Ich weiß nicht,
was los ist, die Touristen strömen nur so durch unsere Tür. Du musst unbedingt herkommen.«
Bea seufzte.
Sie sah Johannes mit einem bedauernden Gesichtsausdruck an, und er zog fragend die
Augenbrauen hoch.
»Hallo?
Bist du noch da?«, rief Caro in den Apparat. »Bea …?«
»Ja, ja,
ich bin dran. Kurze Empfangsstörung«, gab sie vor und fragte: »Wie viel Gäste ungefähr?«
»An die
60, schätze ich, und Bruni und Ulrike sind heute früh überraschend nach Köln gefahren.
Irgendetwas Wichtiges. Ich bin allein mit John.«
»Was?« Jetzt
saß sie senkrecht im Bett. »Warum sind die beiden weg? Das ist doch mein freier Tag!«
»Wir dachten,
ich schaffe es alleine …«
»Mist«,
fluchte Bea.
Fünf Minuten
später war sie angezogen und aus der Tür.
56
Stimmengewirr schlug Bea entgegen,
als sie im ›Ahrstübchen‹ eintraf. Die Besucher aus Köln, die mit einem Reisebus
angekommen waren, hatten sämtliche Tische auf der Terrasse belegt, und auch die
Tische im Inneren des Restaurants waren gut besetzt. Das sah nach Arbeit aus. So
sehr sie sich auch über den unverhofften Touristenstrom freute, so sehr geriet sie
beim Anblick der vielen Gäste in Panik, denn sie fragte sich, wie sie diesem Ansturm
gerecht werden sollten. Zu ihrem Erstaunen realisierte sie aber schnell, dass Caro
bereits Hilfe organisiert hatte. Mei Ling und sie eilten zwischen den Tischen hin
und her, nahmen Bestellungen auf und servierten Getränke. Hinter der Theke stand
Ben und zapfte Bier.
»Super,
ich wusste gar nicht, dass du das kannst«, rief Bea und winkte ihm zu. »Du schwänzt
doch nicht etwa die Schule?«, fragte sie besorgt.
»Nein«,
antwortete er lachend und erklärte: »Heute ist doch der erste Ferientag.«
Bea gab
ihm rasch einen Kuss auf die Wange. »Du bist ein Schatz«, versicherte sie und verschwand
in der Küche, wo John wie besessen Salat schleuderte. Das Schwingen der Schüssel
verursachte ein anschwellendes, summendes Geräusch, er war so vertieft in die Arbeit,
dass er Bea nicht hereinkommen hörte. Hinter ihr eilte Caro durch die Tür.
»Gut, dass
du da bist«, rief sie erleichtert. »Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht.«
Ihr blondes Haar hatte sie mit einem Band zusammengebunden, ihre Augen und Wangen
waren gerötet und glänzten.
John sah
auf. »Alles no problem, girls.« Aufmunternd strahlte er sie an.
Bea schnappte
sich eine Schürze vom Haken. Ein kurzer Blick auf ihre Anzughose bestätigte, dass
sie einigermaßen geschützt war.
»Was soll
ich tun?«, fragte sie Caro und versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen.
»Pellkartoffeln
schälen. Dort drüben.« Caro machte eine entsprechende Kopfbewegung.
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