Mit 50 hat man noch Träume
»Ich habe die
Speisekarte kurz entschlossen auf drei Gerichte reduziert«, erklärte sie und sagte:
»Bratkartoffeln mit Sülze und Remouladensauce für 9,50, Sommersalat mit Erdbeeren,
Radieschen und Lachsforelle für 10,50.«
»Frisch
aus den Teichen?«, unterbrach Bea sie.
»Ja. Wang
San hat sie für uns aus Schuld geholt, sind schon ausgenommen. Außerdem gibt es
Filet vom Eifellamm mit Kürbis-Chutney, dazu einen Klecks Kartoffelgratin und einen
Artischockensalat mit frischer Minze für 24,50 Euro.«
»Hört sich
gut an, aber für so viel Leute?« Beas Stimme war voller Zweifel. »Kriegen wir das
hin?«
»Kein Problem.
Das Fleisch ist schnell gebraten und das Chutney ist schon vorbereitet. John kümmert
sich gleich um die Artischocken.«
»Ich bin
platt«, sagte Bea beeindruckt. Ihre Schale mit gepellten Kartoffeln füllte sich
bereits. »Du bist ein echtes Organisationstalent.« Sie schwieg einen Moment, dann
fragte sie: »Aber wieso haben Wang San und Mei Ling Zeit, uns zu helfen? Sie haben
doch seit ein paar Tagen wieder auf.«
Caro sah
kurz auf. »Bei den Wangs ist nichts los.«
»Was?«,
fragte Bea erstaunt.
»Die chinesischen
Touristen sind noch nicht wieder da.«
»Warum?«
»Keine Ahnung.«
»Und wo
kommen auf einmal all die Kölner her? Ich verstehe das nicht.«
»Das ist
ein Kegelverein, der einen Tagesausflug macht. Sie haben von dem Tempel gelesen,
und deswegen sind sie hier. Sie haben sich vorhin schon alles angesehen. Wenn sie
gegessen haben, fahren sie weiter nach Dernau, zum Rotweinwanderweg.«
»Aber wieso
essen sie nicht bei den Wangs?«, fragte Bea und starrte Caro an: »Das wäre doch
wohl angebracht.«
»Das kann
ich dir auch nicht erklären.« Caro sortierte die gewaschenen Salatblätter und begann
dann damit, Erdbeeren zu putzen. Nach einer Weile sagte sie: »Die Leute sind älter
als 60, das ist doch die Generation, die Angst hat, dass ihr Dackel im Kochtopf
landen könnte. Ich schätze, sie fremdeln mit der chinesischen Küche.«
»Hm.«
»Das Leben
ist ungerecht«, erklärte Caro und seufzte tief. »Heute stehst du noch auf der Gewinnerseite,
und morgen nimmt schon ein anderer deinen Platz ein. Mei Ling und Wang San haben
jedenfalls sofort die Ärmel hochgekrempelt, als ich sie um Hilfe gebeten habe. Ben
war übrigens gerade zufällig hier, als die vielen Leute eintrafen.«
»Ach, ja?«
Beas Stimme klang müde.
»Er ist
unsagbar froh, dass die Brandstifter gefasst sind, und dass es nicht sein Vater
war.«
Sie sah
auf. »Hatte er ihn ernsthaft in Verdacht?«
»Ja.«
Sie schwieg.
Inzwischen war sie so weit, dass sie die Kartoffeln in feine Scheiben schnitt. »Jetzt
sage mir bitte, wo Bruni und Ulrike stecken, dann stelle ich auch keine Fragen mehr.«
Caro beschäftigte
sich mit ihren Erdbeeren, und Bea wartete vergeblich auf eine Antwort.
»Caro?«
»Ja?«
»Ich wollte
etwas von dir wissen.«
»Ach so,
ja. Ich habe dir doch bereits gesagt, dass sie in Köln sind.«
»Und was
machen sie da?«
»Du wolltest
doch keine Fragen mehr stellen.«
Bea grinste,
und Caro sagte: »Was Wichtiges. Ulrike hat einen Anruf bekommen und dann sind sie
auch schon losgedüst. Keine von uns hat damit gerechnet, dass ausgerechnet heute
so viele Gäste hier hereinschneien.«
Bevor sie
weiter nachhaken konnte, öffnete sich die Küchentür, und im Raum standen Christine
Schäfer und Marianne Hohenstein. Überrascht betrachteten sie das Chaos. Überall
lag Gemüse herum, Ofenformen mit Kartoffelscheiben darin waren übereinandergestapelt,
und Zwiebelschalen und Salatblätter fanden sich auf dem Fußboden verstreut.
»Wir wollten
nur mal kurz Hallo sagen …«
»Achtung,
Rutschgefahr!«, warnte Caro die beiden.
»Das sieht
ganz so aus, als ob ihr Unterstützung gebrauchen könntet«, lachte Christine Schäfer
nach einem kurzen Rundumblick.
Marianne
Hohenstein nickte.
Erstaunt
sahen Bea und Caro die beiden Frauen an. »Also gut. Hier ist ein Besen«, stimmte
Caro zu und drückte ihn Christine Schäfer in die Hand.
»Was soll ich tun?«, fragte Marianne Hohenstein.
»Das Dressing
für den Salat muss noch angerührt werden«, antwortete Bea und reichte ihr Essig
und Öl.
»Immer her
damit.«
Bald waren
nur noch die Geräusche von klappernden Schüsseln, zischendem Fett und schabenden
Messern zu hören. Dazwischen ertönte hin und wieder ein deftiger Fluch.
Während
Bea erste Portionen Bratkartoffeln mit Sülze und Remouladensauce anrichtete, stippte
John ungerührt seinen
Weitere Kostenlose Bücher