Mit 80 000 Fragen um die Welt
Health Centre» und freuen sich über unseren Besuch. Digitalkameras klicken, Camcorder rattern, Handys klingeln. Herzliches afrikanisches Chaos.
Zwei ältere Damen haben uns in einem weißen Minibus mit Safari-Sitzbezügen auf dem Weg hierhin begleitet. Die eine mit Rastazöpfen und Baseballkappe, die andere im leuchtend grünen Kleid. Beide arbeiten in einem renommierten Labor für alternative Medizin, das einem staatlichen Institut angeschlossen ist. Sie entwickeln pflanzliche Medikamente gegen Asthma, Diabetes, Bluthochdruck und alles Mögliche. Ihr Labor kooperiert mit Naturheilkliniken aus ganz Kenia, und die beiden sagen, das flache blaue Haus mit dem roten Pfannendach, vor dem wir nun stehen, sei ihr ganzer Stolz.
Eine lächelnde Frau im schwarzweiß karierten Sommerkleid kommt auf uns zu. Ihre Haare hat sie mit einem gleichfarbenen Tuch zusammengebunden. «Mein Name ist Lydia Matoke, ich bin die Direktorin des Hope NaturalHealth Centres. Vielen Dank, dass Sie den weiten Weg zu mir auf sich genommen haben.»
Sie strahlt. Frau Matoke ist eine lustige Frau. Ihr Lachen ist so frisch und warmherzig, dass wir aus voller Seele zurückstrahlen müssen. Sie nimmt meine Hand.
«Eigentlich bin ich Doktor Matoke, aber weißt du: Ich werde gerne Mutter Matoke genannt, weil ich etwas Mütterliches tue. Matoke bedeutet übrigens Banane.»
«Dann darf ich Sie Mutter Banane nennen?»
Und schon wieder brechen die Menschen in Gelächter aus. Die Stimmung könnte nicht besser sein.
Ich hatte zuvor drei Tage in Nairobi, der Hauptstadt des Landes, verbracht und könnte düstere Geschichten von Nairobbery, Kidnapping, Elektrozäunen und Mathare erzählen, einem riesigen Elendsviertel, in dem Menschen in Wellblechhütten und Pappkartons hausen. Wir waren auf Tuberkulose- und HI V-Stationen , haben die hundert Aidswaisen im SO S-Kinderdorf gesehen und die Hunderttausende draußen auf der Straße. Ich erfuhr von schwarzer Magie – Witchdoctors aus den Slums, die gegen viel Geld schnelle Heilung versprechen. Und ich habe beschlossen, all das hinter mir zu lassen. Ich möchte eine hoffnungsvolle Geschichte aus Afrika erzählen. Darum bin ich hier.
Über die Mauer der Klinik ranken rote Blumen, daneben hängt ein drei Meter breites Plakat mit handgemalten Zeichnungen: Mutter, Vater, Tochter und Sohn beim Mittagessen. Auf dem rosafarbenen Tischtuch steht ein Teller mit Bohnen, Kartoffeln, Karotten und Reis. «That’s why I’m a vegetarian» steht auf dem Banner. «Erstens: Biologisches Essen stärkt den Körper. Zweitens: Synthetische Lebensmittel haben keinen Nährwert. Drittens: Gott hat uns gelehrt, nicht zu töten und fleischlos zu essen.»
Wir folgen Mutter Matoke vorbei an Gemüsebeeten in ihr Haus und nehmen gemeinsam mit etwa fünfzehn Patienten und Freunden der Heilerin auf weißen Campingstühlen Platz. Der Raum ist hell und in freundlichem Gelb gestrichen, wir blicken durch ein Fenster auf den Garten, und Mutter Matoke schenkt uns warmen Porridge aus einer großen roten Thermoskanne ein. Dazu gibt es Süßkartoffeln.
«Was ist Deutschland für ein Land?», fragt mich mein Sitznachbar, ein älterer Herr.
«Oh, es ist ein sehr reiches Land.»
«Wie ist das Wetter dort?»
«Meistens regnet es.»
«Wie sind die Menschen?»
«Meistens beschweren sie sich über irgendwas.»
«Und glauben die Deutschen an Gott?»
Bevor ich antworten kann, bittet mich Mutter Matoke nach vorn.
«Raten Sie mal, wie alt ich bin!»
«Ist das nicht unhöflich?»
«Doch, doch, nur zu. Raten Sie!»
Meine Mutter hat mich gelehrt, niemals das Alter von Frauen zu schätzen. So etwas kann böse enden. Deshalb betrachte ich die Dame noch einmal ganz genau. Leuchtende Augen, strahlend weiße Zähne, makellose Haut, kein Gramm zu viel. Ihrem Aussehen nach würde ich sie für knapp vierzig halten. Allerdings ziehe ich aus Sicherheitsgründen lieber ein paar Jahre ab.
«Sie sind fünfunddreißig!»
Jetzt kriegen sich die Leute im Publikum kaum mehr ein, Mutter Matoke winkt ab und lächelt. Ja, ja, mein Schwiegermuttercharme.
«Ich sag dir was: Im Juli werde ich fünfundfünfzig!»
«Fünfundfünfzig?»
Das überrascht mich wirklich.
«Wie haben Sie das gemacht?»
«Frische Luft, frisches Wasser, Sonnenlicht, Sport und Vertrauen in Gott.»
Mutter Matoke erzählt mir, sie habe nicht immer so gesund gelebt. Früher sei sie Geschäftsfrau gewesen und eines Tages in all dem Stress an Brustkrebs erkrankt. Nach der Chemotherapie schwor sie
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