Mit 80 000 Fragen um die Welt
genau, woher all die schöne Kohle eigentlich kommt. Drogengeld? Böse Gerüchte. Panama grenzt zwar im Süden an Kolumbien, aber das eine hat mit dem anderen sicher gar nichts zu tun.
Ich frage Carolin, ob sie diese apokalyptische Wüste aus Wolkenkratzern schön finde, und sie rollt mit den Augen.
«‹Oh, wie schön ist Panama›. Ich weiß nicht, wie oft ich das schon gehört habe. Immer wenn ein Deutscher hierherkommt, spricht er mich auf dieses Buch an. Sorry, wir Panameños können das einfach nicht mehr hören. Aber lass uns einen Profi fragen!»
«Einen Profi?»
«Ja, mein Cousin ist der Bauminister von Panama.»
Carolin macht keine Scherze. Aber sie macht sich Sorgen um mein Outfit, etwas abschätzig blickt sie auf meine Füße.
«Du hast ja Flipflops an!»
«Jap.»
«Das könnte ein Problem werden.»
Glücklicherweise wird es kein Problem. In meinen allerschönsten Zehengreifern erhalte ich eine Audienz bei Jaime José Ford Castro. Es hat wirklich etwas Hochherrschaftliches. Castro empfängt mich an seinem schweren schwarzen Schreibtisch. Hinter ihm hängt ein goldgerahmtes Gemälde. Der Minister ist nicht viel älter als ich, sehr groß und wohlgenährt. Er hat sein langes schwarzes Haar nach hinten gegelt und erinnert ein wenig an Hamburger Hockeyjungs in Polohemden mit hochgeschlagenem Kragen. Oder an die Schickeriaboys aus dem Münchner P1.Castro ist übrigens nicht Minister, sondern lediglich der Vizeminister für Bau und Stadtentwicklung. Das entspricht vermutlich einem deutschen Staatssekretär.
«Señor Castro, finden Sie das dadraußen eigentlich schön?»
«Was meinen Sie genau?»
«Die Wolkenkratzer. Schön ist doch was anderes, oder?»
Der Vizeminister ist irritiert. Für die chaotische Stadtplanung sei die alte Regierung verantwortlich. Aber jetzt werde alles besser.
«Und wie schön ist Panama?»
Castro beginnt, aus seinen Händen große Gesten zu formen. Nun spricht der Staatsmann.
«Panama ist einer der schönsten Orte der Welt, um nicht zu sagen, der allerschönste. Wir haben eine breite Mittelklasse, das macht Panama zu einem sehr, sehr stabilen Land, und Sie können sich ganz sicher sein: Die Regierung arbeitet hart daran, dass der Wohlstand des Landes auch beim Volk ankommt. Damit wir auch in Zukunft ein stabiles und demokratisches Land bleiben.»
Schön gesagt. Eine Frage hätte ich aber doch noch.
«Sie sagen, das Geld kommt bei den Leuten an?»
«Richtig, das Geld kommt bei den Leuten an.»
«Ich habe gelesen, dass ein sehr hoher Prozentsatz der Bevölkerung Panamas unter der Armutsgrenze lebt.»
Der große Staatsmann hält inne – und hinter mir spielt Carolin auffällig laut mit ihrem Handy.
«Wissen Sie, diese Frage ist schwer zu beantworten. Aber seien Sie sich sicher, die Regierung arbeitet sehr hart daran, den Armen ein besseres Leben zu ermöglichen. Wie in jedem Land der Erde gibt es auch bei uns schöne Orte und Orte, die besser sein könnten.»
Ja, manche Orte Panamas könnten besser sein. Manche könnten sogar sehr viel besser sein. Und manche machen dich sprachlos. El Chorrillo ist einer davon. Das Viertel grenzt direkt an Casco Viejo, die bezaubernd schöne Altstadt. Und obwohl auch die Menschen in El Chorrillo direkt am glitzernden Pazifik leben und für sie dieselbe Sonne scheint und der Himmel genauso wolkenlos ist wie über dem Rest von Panama City, hätten sich Tiger und Bär hier niemals wohl gefühlt. Sie hätten hier auch keine zehn Minuten überlebt. In diesem Teil Panamas ist nichts schön.
Auch in El Chorrillo stehen Hochhäuser, aber sie haben keine Fenster, sondern Gitter. Es gibt darin auch keine Swimmingpools und keine gläsernen Fahrstühle. Nackter Beton. Die Wände der Häuser sind überzogen mit Dreck und Parolen, manche haben Einschusslöcher. Der Bodenzwischen den Gebäuden ist übersät mit Plastikflaschen, Spritzen und Scherben.
«Sieh immer nach oben!», ruft Capitan Luis Garcia. «Du musst höllisch aufpassen. Manchmal schmeißen sie aus dem 12., 13. Stock mit Flaschen oder vollen Windeln.» Ich blicke nach oben und entdecke niemanden. Aber ich kann sie hören. Sie johlen und brüllen zu uns herunter. «Die wollen dir Angst machen, weil du ein weißer Junge bist!»
Capitan Garcia ist der Polizeichef dieses Viertels und, natürlich, ein guter Freund von Carolin. Nach dem Interview mit dem Minister hatte ich sie gebeten, mir die hässlichen Seiten Panamas zu zeigen. Carolin hatte damit kein Problem. Jetzt laufen wir
Weitere Kostenlose Bücher