Mit 80 000 Fragen um die Welt
la Independencia. Ein Drittel von Casco Viejo ist frisch renoviert, das zweite Drittel wird gerade renoviert, und die restlichen Gebäude verfallen in Schönheit. Efeu rankt über ihre Dächer, hebt die alten Pfannen an, frisst sich über die verrosteten Geländer der kleinen Balkone direkt in das Mauerwerk, dessen Farbe langsam verbleicht und in Würde verrottet. So ähnlich muss es in Havanna aussehen.
Und über allem brennt die Sonne. Was will ich mehr? Richtig, es fehlt noch eine schöne Frau. Sie empfängt mich auf High Heels, ihre schwarze Businesshose ist betont eng, das Dekolleté ihres knallroten Tops betont offen. Carolin – eine Panamaerin mit Wurzeln in Deutschland und der Schweiz. Was für eine Mischung! Ihren kastanienbraunen Augen wären auch Bär und Tiger verfallen. Carolin sagt, sie sei Model. Ich treffe sie in ihrem Reisebüro.
Wie ich sie gefunden habe? Das war nicht schwer. ImInternet wirbt sie ganz offensiv damit, sie könne einem Panama-Reisenden jeden Wunsch erfüllen. Carolin bietet «exklusive Traumreisen» zu den schönsten Plätzen des Landes an, ist Übersetzerin und Sprecherin der Regierung, außerdem Sprecherin der Handelskammer und Sprecherin vieler anderer Wirtschaftsverbände des Landes. Ach ja: Angeblich hat sie auch noch eine Versicherungsgesellschaft gegründet.
«Du musst ziemlich viele Visitenkarten haben.»
«Ja, es sind eine ganze Menge.»
Carolin bittet mich, vor ihr Platz zu nehmen.
«Wenn du wirklich wissen willst, wie schön Panama ist, muss ich dich eigentlich nach San Blas schicken!»
«Nach San Blas?»
Sie erklärt mir, dass es sich um ein Archipel an der Südostküste des Landes handele. Eine Kette aus 365 Inseln, auf denen die Kuna-Indianer wohnen. Manche sagen, dieses Paradies sei vielleicht der schönste Ort auf Erden, aber leider habe ich dafür keine Zeit. In zwei Tagen geht mein nächster Flug, und ich bin gezwungen, die Schönheit Panamas in Panama City zu finden.
«Venga! Dann lass uns keine Zeit verlieren.»
Ich folge Carolin nach draußen und steige in ihren blütenweißen BMW X5. Bis vor kurzem habe sie ja noch einen Porsche Cayenne gefahren, erzählt sie. Ein Geschenk ihres Vaters, damit sie immer sicher zur Uni komme.
«Was macht dein Vater denn beruflich?»
«Er ist Millionär.»
Ein schöner Beruf, den in Panama offenbar viele Menschen ausüben. Sehr viele. Wir fahren die Küstenstraße entlang, und ich frage mich, ob dies hier eigentlich noch Lateinamerika ist oder schon Miami. Außerhalb der Altstadtscheint Panama City nur aus Wolkenkratzern zu bestehen. Dicht an dicht. Es sind Hunderte. Wie eine Wand verdecken sie die gesamte Skyline der Stadt. Wo noch kein Büroturm steht, wird gerade einer gebaut. Acht der zehn höchsten Gebäude Lateinamerikas stehen in Panama City. Ganz sicher sind es bald zehn von zehn. Die vielen Baustellen links und rechts des Highways hätten Bär und Tiger vermutlich verschreckt. Panama riecht nicht nach Bananen, sondern nach frischem Beton.
«Wir haben das größte Wirtschaftswachstum aller Staaten in dieser Region», sagt Carolin und hält am Fuße des H2 O-Towers , eines Wolkenkratzers in vorderster Reihe mit Blick auf den Pazifik. Ganz oben bewohnt sie ein geräumiges Penthouse. Wir fahren mit dem gläsernen Lift auf das Dach und blicken vom Pool aus über das glitzernde Meer. Woher all das schöne Geld nach Panama fließt? Den Grund kann ich am Horizont erkennen. Hunderte Schiffe ankern vor der Küste und warten darauf, den Panamakanal passieren zu dürfen. Jeder Pott zahlt dafür eine hübsche fünfstellige Gebühr, und das bringt jedes Jahr 1,5 Milliarden Dollar in die Staatskasse. Und weil Panama sonst über keine nennenswerten Industrien verfügt, macht es einen auf Steueroase und lockt reiche Leute ins Land. Mehrwertsteuer? Fünf Prozent. Kfz-Steuer? Fast nicht existent. Und überhaupt keine Steuern zahlen Unternehmen, die ihr Geld offshore, also im Ausland, verdienen. Nebenbei: Auch die Schiffssteuer ist in Panama lächerlich gering. Deswegen fährt fast jeder fünfte Kahn auf dieser Erde unter panamaischer Flagge. So gesehen besitzt Panama die größte Handelsflotte der Welt.
Wirtschaftsleute sagen, Panama sei die neue Schweiz, und abgesehen von den Bergen, dem Käse und der Schokoladehaben sie recht. Es gibt in Panama City über einhundert internationale Banken und natürlich jede Menge «Investoren». Was immer das heißt. Denn auch das ist schön in Panama: Hier fragt man nicht immer so
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