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Mit 80 000 Fragen um die Welt

Mit 80 000 Fragen um die Welt

Titel: Mit 80 000 Fragen um die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Gastmann
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sehen kann. Er ging durch die Straßen Panama Citys, als der Herrgott das Licht ausknipste. George schrie, warf sich auf den Boden, jemand rief die Polizei, und man brachte ihn ins Krankenhaus. Zu spät.
    «George, wie schön ist Panama?»
    «Es ist wunderschön. Ich liebe den Kanal. Ich wurde am Kanal geboren, ich bin am Kanal zur Schule gegangen, ich habe am Kanal meinen Abschluss gemacht. Mein Leben lang sah ich die Schiffe kommen und gehen. Ich sah, wie sie in die Schleuse fuhren und wie das Wasser sie hoch- und runterdrückte. Hoch und runter. Es ist phantastisch. Jedes Schiff zahlt eine Gebühr für sein Gewicht, etwa 1,80   Dollar pro Tonne. Und so ein Pott wiegt verdammt viele Tonnen.»
    George seufzt. Die meisten im Catherine Brown Home erhalten keine Pension, das Heim selbst finanziert sich mit britischen Spendengeldern. Auch George geht leer aus, aber das hat andere Gründe. «I’ve made a bad decision», sagt er. Und für diese falsche Entscheidung sei er acht Jahre in den Knast gewandert. Kanalarbeiter verdienen nicht besonders gut, und irgendwann lernte Georgie ein paar kolumbianische Dealer kennen. Er witterte schnelles Geld, aber die Polizei erwischte ihn. Mit 16   Kilo Kokain.
    «Weißt du, Panama ist schön. Aber eben nicht für jeden. Für die einen ist es das Paradies, für die anderen nicht. So ist das nun mal.»
    An diesem Abend beschert mir Panama etwas Schönes. Die Fluggesellschaft hat mein Gepäck ins Hotel gebracht,ich kann endlich frische Unterwäsche und ein gebügeltes Hemd anziehen und treffe Carolin ein letztes Mal. Ich möchte mich für ihre Hilfe bedanken und lade sie ins Habibi’s ein – ein libanesisches Restaurant im Herzen der Stadt. Doch etwas ist anders. Carolin wirkt abwesend. Pausenlos tippt sie Nachrichten in ihr Blackberry.
    «Ist alles okay?»
    «Weißt du, Dennis? Ich habe dich happy gemacht. Willst du mich auch happy machen?»
    «Was genau meinst du?»
    «Es ist leicht. Du erwähnst einfach mein Reisebüro in deinen Filmen, auf deiner Internetseite und in deinem Buch. Das macht mich happy. Und du willst doch nicht, dass ich unzufrieden werde?»
    Carolin widmet sich wieder ihrem Telefon.
    «Sag mal, was findest du eigentlich schön?»
    «Money. Und manchmal ein bisschen Sex. Noch einen Drink?»

KAPITEL 20
«LEBT CHE GUEVARA NOCH?»
    DAS SCHWULE HÄHNCHEN
    Es kommt mir vor, als liefe ich durch ein Gemälde. Die hohen Grashalme unter mir sind wie goldene Pinselstriche. Der Abendwind wiegt sie hin und her und schmiegt sie sanft an die Ufer des Lago Titicaca, ein See wie ein Meer. Und während die letzten Sonnenstrahlen das Wasser in ein dunkles Türkis tauchen, ziehen weiße Wolken über die Anden, deren schneebedeckte Gipfel im schwindenden Licht in allen Farben schimmern. Als hätte sie der liebe Gott auf eine Leinwand gemalt. Ach, wäre mir nur nicht so kotzübel.
    Seit vierundzwanzig Stunden geht es mir schlecht, seit ich gestern Abend in Bolivien gelandet bin. Das liegt nicht an diesem Land, es ist die Höhe. 4000   Meter über dem Meeresspiegel, meine erste Nacht war eine Tortur. Ich konnte kaum schlafen und habe geträumt, ich würde ersticken. Vor meinem Hotelfenster wächst eine Wand aus braunen Ziegelhäusern in den Himmel. La Paz – eine Millionenstadt in einem Talkessel, darüber thronen die vier Gipfel des Illimani, jeder höher als 6000   Meter. Die Stadt ist atemberaubend – mir geht die Luft aus. Ich fühle mich wie achtzig.
    Dabei habe ich brav alle Tipps beherzigt, die mir der Rezeptionist beim Einchecken gegeben hatte. Kein schweres Essen, nur eine Hühnersuppe, keine weiten Wege mehr, ein Koka-Tee vor dem Einschlafen, und das war’s. Gute Nacht. Genützt hat es wenig, doch es gibt Hoffnung. Man sagt, dass sich der Körper innerhalb von drei Tagen an dieHöhenluft gewöhnt. Für besonders schwere Fälle hält das Hotel Sauerstoffflaschen bereit.
    Ob es Che Guevara auch so mies ging, als er mit Halbglatze, Brille und gefälschtem Ausweis hier in La Paz aus dem Flieger stieg? Nur mit ein paar Dutzend Rebellen zog er vor 45   Jahren durch die Wälder des Hochlands und spielte erfolglos Revolution. Die Bauern wollten sich dem Fremdling nicht anschließen, selbst die Kommunistische Partei ließ ihn im Stich, und das Militär stellte ihn schließlich in einem Tal des Rio Grande, als seine zweifelhafte Guerillatruppe nur noch aus vierzehn Männern bestand. Der Rest ist Geschichte.
    Und trotzdem haben sie El Che hier in Bolivien ein Denkmal gesetzt.

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