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Mit Blick aufs Meer - Mit Blick aufs Meer - Olive Kitteridge

Titel: Mit Blick aufs Meer - Mit Blick aufs Meer - Olive Kitteridge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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Parkstreifen zieht sich die

    Straße entlang bis hin zu der breiten Seitentür des Lebensmittelladens, die früher im Sommer oft aufgeschoben war, so dass man Marlene im Blick hatte, wie sie mit den Kindern Karten spielte oder Hotdogs für sie machte; nette Kinder, immer im Laden herumwuselnd, als sie noch klein waren, immer im Weg.
    Molly Collins, die neben Olive Kitteridge steht und mit ihr und all den anderen wartet, hat gerade über die Schulter zum Laden hinübergeschaut, und nun sagt sie mit einem tiefen Seufzer: »So eine nette Frau. Es ist einfach nicht gerecht.«
    Olive Kitteridge, die grobknochig ist und einen ganzen Kopf größer als Molly, fischt ihre Sonnenbrille aus der Handtasche, setzt sie auf und starrt streng auf Molly Collins hinunter, weil es eine so dämliche Bemerkung ist. Weil die Leute so kreuzdämlich sind, wenn sie denken, alles müsste immer gerecht sein. Aber dann sagt sie doch nur: »Stimmt, sie ist wirklich nett«, und schaut weg, zu der Forsythie drüben bei der Grange Hall, die über und über mit Knospen bedeckt ist.
    Ja, nett ist Marlene Bonney - nur leider dumm wie Bohnenstroh. Vor Jahren, als Marlene in der siebten Klasse war, hatte Olive sie in Mathematik, daher weiß sie wohl besser als die meisten, wie schwer es dem armen Mädchen gefallen sein muss, diese Kasse zu übernehmen. Trotzdem, Olive stünde heute nicht hier, hätte nicht ihre Hilfe angeboten, wenn sie nicht wüsste, dass Henry hier wäre, wenn er könnte: Henry, der jeden Sonntag zur Kirche gegangen ist, dem es mit diesem ganzen Gemeindekram ernst war. Ah, da sind sie - Marlene ist aus der Kirche gekommen, Eddie junior neben sich und die Mädchen gleich dahinter. Marlene hat geweint, natürlich, aber jetzt lächelt sie, und die Grübchen hoch oben an ihren Wangen lächeln mit, während sie den Leuten dankt, gleich da vor der Kirche, in einem blauen Mantel, der bis über ihr rundes Hinterteil reicht, aber nicht lang genug ist, um den
Rest ihres grünen Blümchenkleides zu verdecken, das an ihren nylonbestrumpften Beinen festklebt.
    Kerry Monroe, eine Cousine von Marlene (die vor ein paar Jahren mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, aber Marlene hat ihr geholfen, sie bei sich aufgenommen, ihr Arbeit im Laden gegeben), steht hinter Marlene, tipptopp aussehend mit ihren schwarzen Haaren und dem schwarzen Kostüm und der Sonnenbrille, und macht Eddie junior ein Zeichen, worauf der seine Mutter zu einem Auto geleitet und ihr hineinhilft. Diejenigen, die zum Friedhof mitkommen, darunter Molly Collins’ Mann, steigen ebenfalls in ihre Autos, schalten mitten an diesem sonnigen Tag die Scheinwerfer ein und warten, bis der Leichenwagen anfährt, gefolgt von dem schwarzen Auto mit dem Rest der Familie Bonney darin. Was für ein Heidengeld das alles kosten muss, denkt Olive, die mit Molly zu ihrem eigenen Auto geht.
    »Direkteinäscherung«, sagt Olive, während Molly noch in dem Wust von Hundehaaren nach dem Sicherheitsgurt gräbt. »Ohne jeden Schnickschnack. Von Haus zu Haus. Die kommen einfach von Belfast hergefahren und nehmen einen mit.«
    »Wovon redest du?« Molly dreht Olive den Kopf zu, und Olive kann das Gebiss riechen, das Molly schon seit Jahren trägt.
    »Sie machen keine Reklame für sich«, sagt Olive. »Keinerlei Schnickschnack. Das ist die Firma, zu der wir gehen, wenn’s mal so weit ist, das hab ich auch zu Henry gesagt.«
    Sie fährt vom Parkplatz herunter und in Richtung Landzunge, an deren Ende das Haus der Bonneys liegt. Sie hat angeboten, mit Molly vorauszufahren und die belegten Brote herzurichten; auf diese Weise kommt sie um den Friedhof herum. Der Sarg, der ins Grab gesenkt wird, alles das - darauf kann sie verzichten.
    »Na, immerhin macht das Wetter mit«, sagt Molly, als sie
auf der Höhe der Bullock-Farm sind. »Ein bisschen hilft es doch, denke ich immer.« Und in der Tat scheint die Sonne mit aller Kraft, und der Himmel hinter der roten Scheune der Bullocks leuchtet tiefblau.
    »Heißt das, Henry kann dich verstehen?«, fragt Molly ein paar Minuten später.
    Olive ist, als hätte jemand mit einer Hummerboje ausgeholt und sie ihr gegen das Brustbein gedonnert. Aber sie antwortet nur: »An manchen Tagen. Doch, ich glaube schon.« Es ist nicht das Lügen, das sie in Rage bringt. Was sie in Rage bringt, ist die Frage. Aber gleichzeitig drängt es sie, dieser Frau, die so dümmlich neben ihr sitzt, davon zu erzählen, wie sie letzte Woche, als es so warm war, den Hund mitgenommen hat; wie sie

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