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Mit Blick aufs Meer - Mit Blick aufs Meer - Olive Kitteridge

Titel: Mit Blick aufs Meer - Mit Blick aufs Meer - Olive Kitteridge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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in ihr scheint in Auflösung begriffen. »Schöner Gottesdienst, Marlene«, sagt Kerry und beugt sich vor, um ein Fleischbällchen mit dem Zahnstocher aufzuspießen. »Echt ein super Gottesdienst, ein richtig schöner Abschied für ihn.« Und Olive nickt, weil sie möchte, dass Marlene sich dadurch getröstet fühlt.
    Aber Marlene sieht Kerry nicht, sie lächelt schräg nach oben und fasst nach einer Hand, und dazu sagt sie. »Das
haben alles die Kinder organisiert.« Und die Hand gehört Marlenes jüngster Tochter, die sich in ihrem blauen Velourspullover und dem dunkelblauen Rock zwischen Marlene und Kerry zwängt, ihren Kopf auf Marlenes Schulter legt und ihren gar nicht mehr so kleinen Körper dicht an sie heranschmiegt.
    »Alle sagen, was für ein schöner Gottesdienst das war«, sagt Marlene und streichelt dem Mädchen die langen Ponyfransen aus der Stirn. »Das habt ihr ganz toll gemacht.«
    Das Mädchen nickt, den Kopf gegen den Arm der Mutter gedrückt.
    »Echt toll«, sagt Kerry und kippt den restlichen Whiskey in ihrem Glas hinunter, als ob es Eistee wäre.
    Und Olive, die alledem zuschaut, empfindet - was? Eifersucht? Nein, man ist nicht eifersüchtig auf eine Frau, die gerade ihren Mann verloren hat. Aber eine Unerreichbarkeit, so würde sie es sagen. Diese mollige, gutmütige Frau, die hier auf der Couch sitzt, umgeben von Kindern, ihrer Cousine, Freunden - sie ist unerreichbar für Olive. Olive kann es sich nicht verhehlen, dass sie Enttäuschung verspürt. Denn warum ist sie heute hier? Doch nicht nur, weil Henry es richtig von ihr gefunden hätte, zu Ed Bonneys Beerdigung zu gehen. Nein, sie ist hier, weil sie gehofft hat, angesichts dieses fremden Kummers könnte womöglich ein ganz schwacher Lichtstrahl in ihr eigenes düsteres Verlies dringen. Aber es fühlt sich weit weg an, dieses alte Haus voller Menschen. Nur eine Stimme erhebt sich immer mehr über die anderen.
    Kerry Monroe ist betrunken. In ihrem schwarzen Kostüm hat sie sich neben der Couch postiert und reckt den Arm hoch. »Cop Kerry«, sagt sie sehr laut. »Jawoll. Das wär’s gewesen.« Sie lacht, sie schwankt. Die Leute sagen: »Vorsicht, Kerry.« »Immer sachte«, und Kerry lässt sich auf die Sofalehne plumpsen, streift einen schwarzen Stöckelschuh ab
und lässt ihren schwarzbestrumpften Fuß auf und ab federn. »Hände aufs Autodach, Freundchen!«
    Es ist abstoßend. Olive steht aus ihrem Sessel auf. Zeit zu gehen; groß verabschieden muss sie sich nicht. Niemand wird sie vermissen.
     
    Das Wasser zieht sich zurück. In Ufernähe ist es glatt, stahlfarben, erst hinter dem Longway Rock wird es kabbelig, sogar ein, zwei Gischtstreifen sind zu sehen. Die Hummerbojen hier in der Bucht wippen ganz leicht, und Möwen kreisen über dem Anleger beim Jachthafen. Der Himmel ist noch blau, aber über dem Horizont im Nordosten lagert eine anschwellende Wolkenbank, und die Wipfel der Kiefern drüben auf Diamond Island biegen sich schon.
    Olives Aufbruch hat sich verzögert. Ihr Auto ist eingeparkt, und sie müsste herumfragen und alle aufscheuchen, und danach ist ihr nicht. Also hat sie sich ein ruhiges Plätzchen gesucht, einen Holzstuhl gleich unterhalb der Veranda, ein Stück abseits in der Ecke, auf dem sie sitzt und den Wolken zuschaut, die langsam über die Bucht heranrücken.
    Eddie junior und ein paar seiner Cousins gehen an ihr vorbei zum Wasser hinunter. Sie bemerken Olive gar nicht, sie verschwinden auf dem schmalen Weg zwischen Lorbeerbüschen und Dünenrosen und kommen erst am Ufer wieder in Sicht, Eddie junior ein Stück hinter den anderen. Olive sieht, wie er Steine aufhebt und übers Wasser hüpfen lässt.
    Über ihr auf der Veranda ertönen Schritte, schwere Männer in schweren Stiefeln, klonk, klonk . Dann Matt Grearsons Stimme, schleppend, gedehnt: »Das Wasser wird’s ganz schön reindrücken heut Abend.«
    »Glaub auch«, sagt jemand anderes - Donny Madden.
    »Marlene könnte ziemlich einsam werden im Winter, so alleine hier draußen«, sagt Matt Grearson nach einer Weile.

    Oje, denkt Olive unten auf ihrem Stuhl - lauf, Marlene, lauf wie der Teufel. Der dicke, tramplige Matt Grearson.
    »Sie wird schon zurechtkommen«, antwortet Donny schließlich. »Irgendwie geht es ja immer.«
    Noch ein paar Minuten, dann klonken ihre Stiefel wieder ins Haus zurück, Olive hört die Tür zufallen. Irgendwie geht es immer, denkt sie. Es stimmt. Aber sie holt tief Luft und muss sich anders hinsetzen auf ihrem Holzstuhl, weil es

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