Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
gefragt, aber er riss sich zusammen, wollte er doch nicht als Amateur dastehen.
    Er dachte oft an sie. Umso mehr verblasste die Erinnerung an Helga. Sie sprachen selten über sie. Ihr gehe es gut, sie studiere fleißig, sie lasse ihn grüßen, immer das Gleiche. An die Stelle der Erinnerung trat Margarete. Sie hatte ihn bezaubert. Er war vorsichtig bei seiner Annäherung, doch sie ließ Risse nicht zu in der gläsernen Wand, die sie umgab.

15
    Auf der Rückfahrt war Stachelmann mehrmals durch den Zug gelaufen und hatte geschaut, ob er jemanden sah, der auch bei der Hinfahrt im Zug gesessen hatte. Aber er erkannte niemanden, auch nicht den kleinen Mann, den er verdächtigt hatte. Es beruhigte ihn nicht. Wohin er ging und fuhr, die Angst kam mit. Wenn er nichts tat, wäre sie am größten.
    Er stieg in Lübeck aus und merkte nach einer Weile, dass seine Schritte langsamer geworden waren. Er fürchtete sich vor seiner Wohnung. Er versuchte sich zu beruhigen. Wenn der Eindringling ihn verfolgte, dann hatte er im Zug gesessen. In diesem Fall konnte er nicht in der Wohnung sein. Stachelmann hatte darauf geachtet, ob ihm einer der Reisenden, die in Lübeck ausstiegen, auffiel. Da war keiner losgerannt.
    Als er die Treppe im Haus hochstieg, wollte er es erst überhören. Mozarts 23. Klavierkonzert erklang aus seiner Wohnung. Er hörte es oft. Pollini am Klavier, Böhm dirigiert. Er sah seine Hand zittern, als er die Wohnungstür öffnete. Das Schloss zeigte keine Spuren von Gewalt. Er trat in den Flur, eine Flügelpassage perlte. Bedächtig, mit einem unerreichbaren Gefühl für Zeit schlug Pollini die Saiten an. Stachelmann überlegte, ob er fliehen sollte. Doch dann zwang er sich, ruhig zu bleiben. Der Eindringling war immer verschwunden, bisher. Und was, wenn er diesmal auf Stachelmann wartete? Er durchsuchte die Küche, dann Wohnzimmer und Schlafzimmer. Niemand. Er ließ die Musik laufen. Die CD-Hülle lag aufgeschlagen neben dem Abspielgerät. Sonst hatte sich nichts geändert in der Wohnung.
    Ob sie zu zweit waren? Einer verfolgte ihn, ein anderer veranstaltete den Psychoterror in seiner Wohnung? Stachelmann war schweißgebadet. Er nahm das Telefon. Aber wie sollte er herauskriegen, ob darin eine Wanze versteckt war? Tragbare Telefone hatten keine Muschel, die man abschrauben konnte. Er schaltete die Musik aus und rief Oppum an, der war wieder nicht erreichbar, aber Stachelmann sprach auf den Anrufbeantworter, er warte auf einen Rückruf.
    Dann nahm er das Branchentelefonbuch und suchte. Wer fand Wanzen? Er rief eine Elektronikfirma an, die Sicherheitstechnik anbot. Aber dort lief nur ein Anrufbeantworter. Stachelmann fluchte, es war Samstag, er würde warten müssen bis Montag.
    Er schlief wieder schlecht, die Schmerzen hielten ihn wach. Und immer wieder kamen die Angst und die Fragen. Wie konnte der Eindringling das neue Schloss öffnen? Er grübelte, fand aber keine Antwort. Vielleicht gibt es längst Werkzeuge, mit denen man auch die ausgeklügeltsten Schlösser spurlos knacken konnte. Oder kam der Eindringling gar nicht durch die Tür? Mitten in der Nacht stand Stachelmann auf, schaltete überall Licht ein und untersuchte die Fenster. Nichts zu entdekken, was auf einen Einbrecher schließen ließ. Zurück im Bett, ermahnte er sich, ruhig zu bleiben. Immerhin, er hatte so etwas wie eine Spur. Pintus’ Beschreibung des Kuriers. Das würde er gleich am Morgen telefonisch klären. Ich wette, das ist Zakowski.
    Was hatte Pintus gesagt?»Das war so ein kleiner, drahtiger Mann, kaum Haare auf dem Kopf. Er berlinerte stark.«
    Aber was hatte er gewonnen, wenn es Zakowski war? Er fand nur Motive dafür, dass jemand sich an Zakowski rächen würde, wenn der ein Spitzel war, oder wenn einer glaubte, dass er einer sei. Es kommt nicht darauf an, was einer ist, sondern wofür andere ihn halten. Und doch schien es Stachelmann sinnvoll zu sein, sich mit Zakowski zu befassen. Der war immer davongekommen, im Gegensatz zu den Flüchtlingen, die er betreute. Wenn er Zakowski fand, konnte Stachelmann vielleicht aufklären, warum diese Fluchtversuche gescheitert waren. Daraus ergab sich womöglich ein neuer Anhaltspunkt. Das war verwickelt, aber das Leben ist verwickelt. Meistens kommt man auf dem Umweg am schnellsten zum Ziel. Zakowski konnte ihm gewiss erklären, welche Fluchthelfer noch an diesen Unternehmen beteiligt waren. Mochte doch sein, dass es noch einen gab, der an den misslungenen Fluchten mitwirkte. Und wenn es Griesbach

Weitere Kostenlose Bücher