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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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war?
    Kurz bevor Stachelmann zum letzten Mal in dieser Nacht einschlief, hatte er das Gefühl, dass in ihm eine Idee keimte, was geschehen sein konnte. Die Erklärung für den Mord lag in dessen Vorgeschichte. Die würde er erforschen, das war sein Beruf. Dann siegte die Müdigkeit über die Angst.
    Am Morgen war er zerschlagen. Er frühstückte eilig, dann steckte er sein Notizbuch ein und ging zu den Telefonzellen am Pferdemarkt, sie waren billiger als das Handy. Er ärgerte sich, dass er am Abend zuvor nicht auch schon außerhalb seiner Wohnung telefoniert hatte. Zuerst rief er Wittstock an. Diesmal hatte er Glück, Wittstock hob ab. »Ja, Zacki berlinerte. Aber das tun doch viele. Ja, eher klein und reichlich zäh. Warum wollen Sie das alles wissen? Zacki ist sauber, glauben Sie mir.«
    »Ich muss ihn nur was fragen. Wissen Sie, wo er wohnt?«
    »Der ist aus Berlin weg, irgendwo auf die Dörfer, so Richtung Frankfurt.«
    »Frankfurt/Oder?«
    »Klar.«
    »Kennen Sie jemanden, der es genauer weiß?«
    »Nee.«
    »Pawelczyk?«
    »Bestimmt nicht. Die waren nicht so dicke, der Zacki und der Pawelczyk.«
    »Waren sie Feinde?«
    »Nee, so würde ich das nicht sagen. Aber Busenfreunde waren sie auch nicht.«
    »Wissen Sie inzwischen den Nachnamen von Ihrem Kollegen Horst?«
    »Ja, ist mir eingefallen. Drehmel. Den brauchen Sie aber nicht zu besuchen. Und wenn, dann nehmen Sie sich einen Spaten mit. Der ist vor ein paar Wochen gestorben. Sie haben mich durch Ihren Besuch drauf gebracht, den mal wieder anzurufen, aber es war nur seine Frau dran, die heulte gleich los.
    Große Scheiße.«
    Als er das Gespräch beendet hatte, rief er seine Mutter an.
    »Was ist das für ein Krach?«
    »Ich stehe in einer Telefonzelle.«
    »Ist dein Telefon kaputt? Wo bist du?«
    »Ich besorge Kuchen und besuche dich heute Nachmittag. Was hältst du davon?«
    »Das ist wunderbar.«
    Zu Hause suchte er noch einmal die Wohnung ab. Besonders gründlich nahm er sich die Fenster vor. War ein Fenster gekippt, als er in Weinheim war? Wahrscheinlich das im Bad. Oder nicht? Er ließ doch im Winter ein Fenster nicht tagelang offen stehen. Hatte er es vergessen? Er wusste es nicht. Aber auch im Bad nicht die geringste Spur des Eindringlings. Dann fiel ihm ein, was er tun könnte. Am Montag würde er sich eine Überwachungskamera installieren lassen. Er hatte davon gelesen. Einfach an den Computer anschließen und mit einem Bewegungsmelder verbinden. Wahrscheinlich kriegte man sogar Kameras mit eingebautem Bewegungsmelder. Der sorgte dafür, dass die Kamera sich einschaltete, sobald jemand in der Wohnung war. Diese Idee besserte seine Laune. Er malte sich aus, wie der Eindringling gefilmt wurde, ohne dass der es merkte. Stachelmann könnte mit der Aufnahme zur Polizei gehen. Dann mussten sie ihm glauben, und der Spuk hatte ein Ende.
    Er legte sich aufs Bett, es gelang ihm, fast zwei Stunden zu schlafen. Als er aufwachte, hatte er die Idee mit der Kamera gleich wieder im Kopf. Das war es. Er verließ die Wohnung und ging in die Breite Straße zu Niederegger. Dort stellte er sich in die Schlange und wartete, bis er endlich drankam. Er kaufte reichlich Torte und trug sie zum Auto. Dann fuhr er los. Es herrschte wenig Verkehr, und er war bald in Reinbek. Beim letzten Mal, als er hier war, wurde sein Vater beerdigt. Ein Kloß wanderte ihm in die Kehle, als er an der Abzweigung zum Waldfriedhof vorbeifuhr.
    Seine Mutter wirkte noch zerbrechlicher als beim letzten Mal. Sie war blass und sah müde aus. Die Trauer zehrte an ihr. Aber sie wollte tapfer sein und es sich nicht anmerken lassen. Stachelmann spürte die Anstrengung, die sie aufbrachte.
    Sie setzten sich ins Wohnzimmer. Der Sessel, auf dem der Vater immer gesessen hatte, stand an seinem Platz. Es war ein seltsames Gefühl, zum ersten Mal war der Vater nicht da, wenn Stachelmann zu Besuch kam.
    »Schade, dass ihr euch nicht mehr aussöhnen konntet. Vater war bereit dazu.«
    »Ja, schade«, sagte Stachelmann. Er log, er wollte nicht vom Tisch wischen, was seinen Vater und ihn entzweit hatte. Der Vater hatte erklärt, er habe damals keine Wahl gehabt. Aber das bestritt Stachelmann. Der Vater wollte wissen, wie Stachelmann sich verhalten hätte. Diese Frage konnte Stachelmann nicht beantworten. Aber das änderte nichts daran, dass der Vater einer der kleinen Helfer war, ohne die große Verbrechen nicht möglich sind. Mit dem Tod war der Streit beendet, und warum sollte er seine Mutter nicht in der

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