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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Sie schaute ihn an und sagte: »Der Name stimmt doch auch nicht. Sie haben einen anderen auf dem Anmeldeformular eingetragen.«
    Stachelmann merkte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Er fluchte innerlich, er hatte nicht aufgepasst. »Dann zahle ich eben bar.« Er legte einen Hundert-Euro-Schein auf den Tresen. »Einen Augenblick bitte«, sagte die Frau. Sie nahm den Schein und ging in einen Büroraum hinter der Rezeption. Sie schloss die Tür. Durch ein Fenster sah Stachelmann, wie sie telefonierte. Er begriff blitzschnell. Sie rief die Polizei, hielt ihn für einen Betrüger. Er griff nach seinem Koffer und eilte zum Ausgang. Draußen rannte er weg. Er wusste nicht, wohin, nur weg. Nachdem er eine Weile gerannt war und die Knöchel und Knie stärker schmerzten, wurde er langsamer. Er schaute sich um, Polizei war nirgendwo zu sehen. Es fiel ihm schwer, die Tasche zu tragen. Dann sah er einen Taxistand. Er atmete durch, um nicht gehetzt zu wirken. Dann setzte er sich in einen Wagen. »Zum Bahnhof Friedrichstraße.«
    Der Bauch des Taxifahrers spannte ein rotes T-Shirt. Der Wagen war überheizt. »Na, wollen Sie sich Berlin ansehen?«
    Woher weiß der Mann, dass ich nicht aus Berlin komme?
    »So ähnlich.«
    »Sie sind allein.« Er wartete keine Antwort ab. »Wenn Sie wollen, könnte ich Sie heute Abend in einen Spitzenclub fahren.«
    »Danke. Nicht nötig.«
    »Aber ich sag Ihnen, so was hamse noch nicht erlebt. Und die Mädels, einfach Zucker.« Er schnalzte mit den Lippen.
    »Danke. Wirklich nicht nötig.«
    »Überlegen Sie sich das, hier ist meine Karte.« Er nahm eine Karte aus einer Schachtel, die aufs Armaturenbrett geklebt war. »Und wenn Sie sagen, Sie kommen von mir, dann gibt’s das erste Getränk umsonst. Die haben da alles, sogar ein Schwimmbad. Wie heißt das, Whirlpool? Und alles ganz diskret.«
    »Nein, ich habe kein Interesse, ja?«
    »Ist ja gut. War doch nur eine Anregung. Wollte Ihnen einen Gefallen tun. Aber wenn Sie keine Lust haben. Wissen Sie, ich würde da jeden Abend reingehen, wenn ich es mir leisten könnte. Jeden Abend.«
    Stachelmann antwortete nicht. Der Fahrer brummelte vor sich hin. Dann sagte er: »Wissense, wir Berliner sind hilfsbereit. Wir haben nichts
    gegen Fremde, wir nicht.« Weit hinten schaltete eine Ampel auf Gelb, der Fahrer trat aufs Gaspedal, musste aber gleich wieder bremsen, weil sich ein Kleintransporter eines Gemüseladens aus einer Seitenstraße vordrängte. Der Taxifahrer drückte auf die Hupe und drohte mit der Faust. »Ich hätte es noch geschafft, wenn dieser Türkentrottel …«
    Stachelmann versuchte sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren.
    »Sie wollen also wirklich heute Abend nichts unternehmen?«
    Stachelmann schaute aus dem Seitenfenster. Auf dem Bürgersteig hasteten Menschen durch den Regen.
    »Gerade bei so einem Sauwetter kann man abends doch nicht im Hotelzimmer sitzen. Da fällt einem doch die Decke auf den Kopf.« Er schlug mit der Hand aufs Lenkrad und rief: »Mach Platz, du Idiot!« Stachelmann verstand nicht, wen er beschimpfte. Er schaute auf die Uhr, er hatte viel Zeit. Vielleicht hätte er sich früher verabreden sollen.
    Schimpfend hielt der Fahrer vor einem Seiteneingang des Bahnhofs Friedrichstraße. Stachelmann zahlte, stieg grußlos aus und fand bald die Schließfächer. Er stellte seinen Koffer in ein Fach, warf eine Münze ein und zog den Schlüssel ab. Er ging in die Bahnhofshalle. Als er zwei Polizisten sah, drehte er sich weg. Um Zeit totzuschlagen, betrachtete er die Auslagen der Bahnhofsbuchhandlung.
    Er kaufte sich eine Berliner Zeitung, hinter der konnte er sich verstecken.
    Er bummelte trotz des kalten Regens in Richtung Unter den Linden, aß in einem Restaurant eine Kleinigkeit, obwohl er keinen Hunger hatte. Dann ging er zurück zum Bahnhof und suchte sich eine Verbindung heraus. Mit der S75 zum Alexanderplatz, dort umsteigen in die U5 Richtung Hönow, aussteigen am Frankfurter Tor. Er kaufte sich einen Fahrschein und stieg die Stufen hoch zum Bahnsteig. Die Anspannung bereitete ihm Bauchschmerzen. Die Gelenke taten weh. Als er oben war, atmete er heftig gegen die steifen Rippen an. Erstickungsgefühle ließen ihn schwindelig werden. Er setzte sich auf eine Bank. Er schwitzte und wischte sich mit einem Taschentuch die Stirn ab. Dann kam schon der Zug, Stachelmann blieb sitzen und schaute zu, wie die Bahn losfuhr. Du hast Zeit, erhol dich erst. Er schaute den Tauben zu, die den Bahnsteig frech nach Futter absuchten.

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