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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Auffahrt, füllte den Tank voll und trank einen Kaffee. Auf der Autobahn spielte er am Radio herum, hörte erst Nachrichten, dann fand er einen Klassiksender, dessen Empfang aber schon ab dem Autobahndreieck Wittstock schlecht wurde. Er amüsierte sich über die Namensgleichheit und überlegte, was Henry Wittstock mit dem Dreieck zu tun haben könnte. Nun wirst du albern. Er spürte die Erleichterung, er hatte es hinter sich. Niemand konnte mehr verlangen, als er getan hatte. Morgen würde er sich näher mit der Meyerbeck-Sache befassen. Er freute sich auf die Zusammenarbeit mit Anne, er wollte sich benehmen wie ein Erwachsener. Sei nicht albern. Bist selbst schuld, hast sie doch hängen gelassen. Er summte die Melodie des Stücks im Radio mit, es war Mozarts 23. Klavierkonzert, fast ein bisschen kitschig. Er kannte es gut, heute stimmte es ihn froh. Manche Leute sagten, man müsse erst weit weg fahren, um einen guten Blick auf zu Hause zu haben.
    Als er bei Zarrentin die alte Grenze überfuhr, fiel ihm ein, wie es hier noch vor ein paar Jahren ausgesehen hatte. Schranken, Betonsperren, Türme, bewaffnete Wächter. Zuletzt waren die Grenzer bemüht, höflich aufzutreten, ideeller Zins für Strauß’ Milliardenkredite. Und doch war die Grenze immer ein Monster. Heute brauste er mit 110 Stundenkilometern darüber hinweg, die Grenzstationen waren umgebaut in zwei Rasthäuser, die in wenigen Kilometern Abstand aufeinander folgten, ein wirtschaftlich unsinniges Zugeständnis an die Geschichte. An der Ausfahrt Büchen fühlte er sich schon fast zu Hause. Bald darauf verließ er die Autobahn, wechselte auf die Bundesstraße 404, berühmt wegen ihrer unzähligen Unfälle, und schlich in einer langen Kolonne zur Bundesautobahn 1. Dort fuhr er Richtung Puttgarden. Bei Lübeck-Zentrum verließ er die Autobahn, nun ging es über den Lohmühlenteller zur Fakkenburger Allee, am Hauptbahnhof vorbei, aufs Holstentor zu, dann hinunter in die Obertrave. Er hatte Glück, fand gleich einen Parkplatz, streckte sich und wartete auf die Schmerzen, aber sie kamen nicht. Er stieg aus, schloss die Tür ab und ging zum Heck, um seine Reisetasche aus dem Kofferraum zu nehmen. Er öffnete die Klappe und erschrak. Da lag ein schwarzer Müllsack. Er stützte sich mit der Hand auf den Rahmen. Angst ergriff ihn. Er schaute weg und wieder hin, der Sack lag da, füllte fast den gesamten Kofferraum. Im ersten Augenblick wollte er die Klappe zuschlagen und wegrennen. Stachelmann zwang sich, stehen zu bleiben. Er konzentrierte sich. In dem Müllsack war etwas verpackt, lang, groß, sperrig. Er sah die Ausbuchtungen, dann drängte sich ein Gedanke auf, er drückte ihn weg. An einem Ende, auf der Fahrerseite, war der Sack verschnürt, eine dicke Paketschnur. Ein Stück darüber war mehrfach breites Klebeband um den Zipfel gewickelt, als hätte jemand den Sack so fest verschließen wollen wie möglich und der Schnur nicht getraut. Stachelmann zog am Zipfel. Das, was im Sack lag, war schwer. Der Gedanke kam zurück und wurde drängender. Andere Gedanken rasten durch sein Hirn. Hatte er etwa vergessen, dass er einen Müllsack ins Auto gelegt hatte? War es ein Streich, wenn ja, von wem? Hatte einer Stachelmanns Auto verwechselt? Er überlegte, ob er vergessen hatte, den Wagen abzuschließen, als er in Berlin war. Er wusste es nicht mehr, aber es wäre nicht das erste Mal gewesen. Er war nachlässig. Vielleicht wäre er es nicht, besäße er ein neues Auto oder eines mit Zentralverriegelung. Er beugte sich in den Kofferraum und drückte in der Mitte auf den Sack, dort wölbte sich etwas. An der Oberfläche war es weich, dann gleich hart. Er sah seine Hand zittern, als er an einer anderen Stelle drückte. Erst weich, dann sofort fest. Er konnte sich nicht mehr wehren gegen die Tatsache, dass in seinem Kofferraum eine Leiche lag.
    ***
    Der Gefangene saß auf dem Hocker und rauchte, während der Vernehmer tippte. Der benutzte zwei, mal drei Finger und war doch schnell. Es war ein unrhythmisches Geklapper. Als er fertig war, schob der Vernehmer die Seiten zum Gefangenen hinüber. »Lassen Sie sich Zeit, studieren Sie es gründlich.«
    Der Gefangene las. Nach wenigen Zeilen stutzte er.
    »Das stimmt nicht«, sagte er.
    »Was stimmt nicht?«
    »Dass Helga und ich mit feindlich-negativen Organisationen in Westberlin zusammengearbeitet haben. Außerdem sage ich noch mal, das ist nicht meine Sprache.«
    »Es geht um juristische Klarheit. Wir sind ein Untersuchungsorgan

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