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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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er dumm ist. Der bezahlt nicht, ohne eine Gegenleistung zu bekommen. Der nicht.«
    »Vielleicht waren Sie unvorsichtig? Ein Brief, ein Telefongespräch.«
    »Was glauben Sie, wie lange ich darüber nachgedacht habe? Ich hatte ja genug Zeit. Natürlich habe ich mir die Schuld gegeben. Wenn Sie Tag und Nacht in einer Zelle sitzen, haben die Selbstzweifel alle Möglichkeiten, einen zu quälen. Ich habe mich gemartert mit Vorwürfen, aber am Ende wusste ich immer, dass ich keinen Fehler gemacht habe. Wenigstens keinen, der die Sache scheitern ließ. Wir wurden verraten.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wer Sie verraten hat?«
    Sie schüttelte fast unmerklich den Kopf. »Ich habe mir natürlich alle Varianten durch den Kopf gehen lassen, immer wieder. Es kann ja sein, dass die Staatssicherheit mich belauscht hat, dass sie auch die beiden Treffen mit dem Kurier belauscht hat.«
    »Zwei Treffen?«
    »Ja. Er tauchte auf und brachte ein Foto von meinem Verlobten. Der hatte mir gesagt, er würde jemanden schicken. Aber so richtig geglaubt habe ich es nicht. Daher war ich doch überrascht, als da plötzlich dieser Mann bei mir zu Hause klingelte und das Foto zeigte. Er fragte, ob ich noch ausreisen wolle. Natürlich wollte ich. Dann erklärte er mir, wie es ablaufen würde. Ganz einfach, irgendeine Stelle im Westberliner Senat verlieh gewissermaßen einen bundesdeutschen Pass, der mich zu Margot Emmerlich aus Gelsenkirchen machte, ausgerechnet Margot. Der Kurier bat um ein Passbild, glücklicherweise oder unglücklicherweise hatte ich eines da, sonst hätte er noch mal kommen müssen. Vielleicht hätte sich ja alles zerschlagen, wenn ich dieses Passbild nicht gehabt hätte. Im Knast habe ich es manchmal geträumt. Ich würde also einen richtigen Pass kriegen, allerdings mit einem gefälschten DDR-Einreisevisum.
    Das sei nicht so schwierig, sagte der Kurier, sie machten es nicht zum ersten Mal nach.«
    »Das heißt, da gab es jemanden, der Visa fälschte. Vielleicht ist da die undichte Stelle?«
    »Möglich, aber unwahrscheinlich. Der Fälscher kriegte doch nur diesen Pass mit dem falschen Namen und das Foto. Mit dem Foto hätten sie lange suchen können.«
    »Es war denen doch gleichgültig, welchen Aufwand sie trieben.«
    »Ich glaube nicht dran. Aber vielleicht irre ich mich. Wenn Sie so nach Ihrem Mörder suchen, geraten Sie früher oder später in ein Labyrinth. Sie fragen doch alle, deren Flucht mit diesen Leuten gescheitert ist?«
    »Sie sind die Erste.«
    »Dann haben Sie ja noch viel vor sich.«
    »Ein bisschen Systematik vereinfacht die Sache. Dass der Kurier erwischt wurde, legt den Schluss nahe, dass die Fluchtvorbereitung überwacht wurde. Oder hatten Sie eine Freundin oder sonst jemanden, den Sie eingeweiht haben? Manchmal hält man es ja schwer aus mit Geheimnissen. Oder haben Sie sich verabschiedet von jemandem, vielleicht nicht direkt, aber so, dass der es verstanden hat?«
    Sie schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Ich habe mich sogar mit Freunden verabredet für die Zeit nach der Flucht. Ich habe sie getäuscht, und ein, zwei haben es mir übel genommen. Womöglich aber vor allem, dass ich sie im Stich gelassen habe. Eine Ärztin verlässt ihre Patienten nicht.«
    »Sie sind ja zurückgekehrt.«
    »Ich bin nicht abgehauen. In Hoheneck hat mir ein Mitarbeiter von Rechtsanwalt Vogel kurz vor meiner Entlassung erklärt, mein Verlobter habe geheiratet. Er wollte nicht auf mich warten.«
    »Sie haben sich nicht freikaufen lassen?«
    »Nein. Die haben mich nach Karl-Marx-Stadt kutschiert, da gab es den tollsten Knast der DDR, mit Sonderverpflegung, duschen, wann man wollte, und die Schließer führten sich auf, als wären sie Butler. Das Tollste in diesem tollen Knast aber war das Essen. Von so einem Essen hatte ich geträumt in Hoheneck. Und dazu durften wir noch ordentlich einkaufen. Die haben geglaubt, wenn man im Westen sei, erinnere man sich nur noch an den Luxusknast in Karl-Marx-Stadt und vergesse, wie die einen vorher geschunden haben.«
    »Warum sind Sie in der DDR geblieben?«
    »Was sollte ich allein im Westen? Ich habe denen von der Stasi in Karl-Marx-Stadt gesagt, ich möchte wieder an meine Poliklinik, die war in Demmin. Die haben große Augen gemacht und mich gelöchert, warum ich umsonst im Knast gesessen hätte. Die wollten mich in den Westen verscherbeln, gab ja fast hunderttausend Westmark pro Kopf. Aber dann hat es ihnen geschmeichelt, dass jemand bleiben wollte. Die haben sichgesagt, das macht einen

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