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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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vor der nächsten Ampel, an der Kreuzung An der Untertrave/Holstenstraße. Als er diese Ampel hinter sich hatte, begann er einen Parkplatz zu suchen. Es war um diese Zeit schwer, und Falschparker erhielten oft Strafmandate. Er quetschte seinen Golf in eine Lücke in einer Seitengasse, wo nur Anwohner parken durften. Das Schild, das ihn dazu berechtigte, klebte innen an der Windschutzscheibe.
    Er blieb eine Weile im Wagen sitzen und sprach sich Mut zu. Du hast ein neues Schloss, der kommt nicht rein. Aber dann fiel ihm ein, er hatte gelesen, Sicherheitsschlösser seien für gut ausgerüstete Einbrecher kein Hindernis, ein paar Sekunden, und die Tür ist auf. Das Haustürschloss war nicht ausgewechselt, ins Treppenhaus käme der Fremde wie bisher. Stachelmann betrachtete seinen Wohnungsschlüssel, der trug auf beiden Seiten des Barts Kerben und Löcher. Er sah anders aus als der Vorgänger, der Zacken im Bart gehabt hatte. Er erinnerte sich, der Mann vom Schlüsseldienst hatte das neue Schloss gelobt. Da beiße sich ein Einbrecher die Zähne aus, wenn er klug sei, versuche er es gar nicht erst. Stachelmann solle das Schloss nur doppelt schließen. Er überlegte, ob er es getan hatte, konnte sich aber nicht mehr erinnern. Bestimmt. Dann stieg er aus dem Auto. Er hatte weiche Knie, als er sich dem Haus in der Lichten Querstraße näherte. Was soll ich tun, wenn ich auf ihn treffe? Wenn er plötzlich vor mir steht? Ob er bewaffnet ist? Dann redete er sich ein, der Einbrecher wolle vermeiden, erkannt zu werden. Vielleicht beobachtete er das Haus und wartete, bis Stachelmann wegging. Da blieb ein Risiko, erwischt zu werden, aber diesmal war Stachelmann lang genug weg gewesen.
    Er schloss die Haustür auf. Dann schlich er die Treppe hoch und lauschte an seiner Wohnungstür. Kein Geräusch, keine Musik. Er schloss auf und blieb in der Tür stehen. Er horchte, nichts. Stachelmann ließ die Wohnungstür offen und ging einige Schritte zur Küche. Er schaute hinein, dann betrat er sie und riss an der Klinke die Tür von der Wand. Er hoffte, einen Einbrecher zu erschrecken, sollte einer hinter der Tür stehen. In der Küche war niemand, der Wasserhahn tropfte, Stachelmann drehte den Hahn zu. Er verließ die Küche und schloss die Küchentür. Dann näherte er sich dem Wohnzimmer, das Herz pochte. Jeden Augenblick erwartete er Musik. Was hatte der Eindringling sich diesmal ausgedacht? Würde er den Terror steigern? Das wäre folgerichtig.
    Die Wohnzimmertür war angelehnt. Er drückte sie vorsichtig auf, sie quietschte, er fuhr zusammen. Als sie halb offen war, schob er seinen Kopf langsam vor. Dann sah er es. Ein Papier lag auf dem Tisch. Schlagartig war er schweißnass. Er wischte mit dem Ärmel über die Stirn. Es war gewiss eine Botschaft des Eindringlings, eine Drohung, ein Ultimatum. Schritt für Schritt näherte er sich dem Tisch. Dann erkannte er das Papier, es war ein Einkaufszettel, der schon seit Tagen herumlag. Er setzte sich aufs Sofa und schnaufte. Dann stand er wieder auf und durchsuchte das Schlafzimmer. Als er fertig war, rannte er zur Wohnungstür und schloss sie ab.
    Er schaltete den Computer ein. Wieder tauchte das Anmeldefenster auf. Stachelmann sah seine Hand zittern auf der Tastatur. Dann fiel ihm ein, er hatte Benutzername und Passwort noch nicht geändert. Er gab ein Ich_komme und in die zweite Zeile wieder. Als der PC hochgefahren war, klickte er sich in die Benutzerverwaltung und änderte den Benutzernamen in Stachelmann und das Passwort in Anne. Das Passwort war nicht so lang, wie der Mann vom Notdienst vorgeschlagen hatte, aber wie sollte er sich ein alphanumerisches Passwort merken mit acht Stellen und Sonderzeichen?
    Nun war er überzeugt, niemand hatte seine Wohnung betreten, während er in Schönberg war. Er lachte laut und verkrampft. So weit ist es also gekommen, Josef Maria Stachelmann dreht durch. So weit soll es kommen. Du darfst nicht ausrasten, sonst bist du verloren. Wer immer dieses Spiel mit dir spielt, er will dich fertig machen. Du sollst den Mörder abgeben, und solange du es nicht tust, musst du damit rechnen, dass der wirkliche Mörder an der Schraube dreht. Vielleicht hat er gewusst, du erwartest eine Überraschung, wenn du zurückkommst. Die größte Überraschung ist dann keine Überraschung. Und wenn du glaubst, endlich deine Ruhe zu haben, dann geht es erst richtig los. Was würdest du tun, wenn du einen verrückt machen willst? Das würdest du tun. Aber womöglich will der

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