Mit Blindheit Geschlagen
zuerst in den Füßen, dann raste er den Rücken hinauf. Stachelmann stand starr und wartete, ob der Schmerz blieb. Der packte sich immer mehr Gelenke, dann auch den Hals. Er fand die Tabletten im Schlafzimmer. Er nahm die doppelte Dosis und humpelte zurück ins Wohnzimmer. Er betrachtete das Paket, als könnte er nicht glauben, was ihm geschickt worden war.
Die Kripo anrufen, nun konnte er etwas zeigen, nun konnten sie ihm nicht vorwerfen, er leide an Halluzinationen. Vielleicht fanden sich Spuren im Paket? Er überlegte, ob er den Beutel öffnen sollte, um sich zu vergewissern. Nein, warum die Wohnung verstänkern? Das sah doch jeder, was das war. Er blätterte in seinem Notizbuch, bis er Burgs Durchwahl fand. Der hob gleich ab. Er hörte schweigend zu, dann sagte er: »Ich schicke einen Kollegen von der Spurensicherung. Der schaut sich das an.«
Dann legte er auf.
Stachelmann wählte Oppums Nummer, er hielt es für richtig, dem Anwalt zu sagen, dass er Kontakt zur Polizei aufgenommen hatte. Oppum war in einer Verhandlung, aber die Frau am Telefon versprach, ihn zu unterrichten. Stachelmann legte sich im Schlafzimmer aufs Bett. Er schaute an die Decke. Die Gedanken kreisten um das Paket. Da hatte ihm jemand Kot geschickt, und dieser Jemand war derselbe, der in seine Wohnung eingedrungen war. So antwortete der auf den Schlosstausch. Als ob er sagte, ich bleibe auf deiner Spur. Ich beobachte dich. Wenn ich dir was tun will, dann tue ich es. Wann ich will, wo ich will, wie ich will. Stachelmann überlegte, ob er ausziehen sollte. Nicht weit, an der Untertrave, lag ein Hotel, in dessen Restaurant er schon gegessen hatte. Dort wäre er vielleicht sicher. Aber dann stellte er sich vor, wie Menschen ein- und ausgingen, ohne dass jemand sie beachtete. Nein, im Hotel wäre er nicht sicher. Sicher war einzig, dass der Eindringling ihn dort finden würde, das musste Stachelmann ihm zutrauen.
Es klingelte. Über die Sprechanlage meldete sich ein Polizist. Stachelmann wartete hinter der Wohnungstür. Er hörte an den Schritten im Treppenhaus, dass es zwei waren. Er schaute durch den Spion, Burg war doch mitgekommen. Stachelmann ließ die beiden herein und zeigte ihnen das Paket.
»Gut, wir nehmen das mal mit, ist wohl Scheiße«, sagte Burg. »Sieht jedenfalls wie Scheiße aus.« Er betrachtete den Absenderaufkleber. »Und so was schickt Ihnen Ihre Mutter oder Oma?«
»Wenn meine Mutter oder Oma so was schicken würde, hätte ich Sie nicht gerufen.«
»Aha.«
Stachelmann verstand, Burg mimte den Dummen. Er kannte den Oberkommissar zu gut.
»Haben Sie noch etwas für uns, also keine Scheiße?«
»Für Sie habe ich leider nur Scheiße«, sagte Stachelmann.
»Das ist ja mal schade.« Er zwirbelte den Oberlippenbart zwischen Zeigefinger und Daumen, dann wandte er sich an seinen Kollegen. »Dann gehen wir mal wieder.«
Der Beamte von der Spurensicherung zog sich Gummihandschuhe an. Er zog einen Plastiksack aus der Tasche und schob das Paket vorsichtig hinein. »Nachher ist die Scheiße Plastiksprengstoff oder so was«, sagte Burg.
Stachelmann erschrak.
Burg grinste. »Tschüss!«
Er hörte, wie sie die Treppe hinuntergingen, fast gemütlich. Burg wollte ihn erschrecken. Wenn der Verdacht bestand, es sei Sprengstoff, hätten alle blitzschnell die Wohnung verlassen, das Haus wäre geräumt worden, und Spezialisten hätten das Paket geprüft. Vor seinem inneren Auge explodierte das Haus.
Die Tabletten wirkten, und der Besuch der Polizisten hatte komischerweise seine Laune verbessert. Sie hatten ihn nicht weiter ausgefragt, vielleicht folgten sie doch einer anderen Spur. Und dass er dieses Paket bekommen hatte, zeigte, der Eindringling musste sich etwas anderes einfallen lassen, in die Wohnung kam er nicht mehr. Womöglich wollte er auch nicht mehr hinein.
Er nahm das Telefon mit ins Schlafzimmer, legte sich aufs Bett und rief Anne an. Als sie abnahm, hörte er Babygeschrei. »Felix ist in Spitzenform«, sagte Anne. Sie klang so müde. »Ich ruf dich nachher zurück, jetzt muss ich erst mal den Radaubruder versorgen.«
Er blieb liegen, er war erschöpft. Dann stand er auf und suchte die Telefonnummern-CD. Er fand sie in seiner Aktentasche. Er schaltete den Computer ein. Gespannt beobachtete Stachelmann, wie der PC das Betriebssystem lud. Er wartete auf eine Überraschung, aber es geschah nichts. Er rief Mails ab, in einer wurde ihm eine Penisverlängerung offeriert, eine andere unterrichtete ihn, eine Madeleine warte
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