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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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den Wandteppichen
.
    «Meine Familie verlangt von den Colonnas Kompensation für den Tod Ranuccios, weil du deren Geschöpf bist. Solange wir das Geld nicht haben, werde ich dich nicht töten. Das heißt aber nicht, dass ich dir keine Sfregio, die Narbe der Schande, verpasse.» Ein ängstliches, angestrengtes Gebrüll, und dann wurde ein Tisch umgestoßen. Wutschnaubend rief Tomassoni: «Wo steckst du, du Hurensohn?»
    Im Kirchenportal erschien eine Mönch. Er sprach Tomassoni mit spanischem Akzent an. «Ihr vergesst Euch. Ihr seid in einem Gotteshaus, mein Sohn.»
    Tomassoni schob seinen Degen in die Scheide und richtete den Tisch wieder auf. «Ich bitte um Vergebung, Pater.» Seine Stimme klang heiser und beschämt.
    «Gebt eine Spende für die Madonna del Pilar und verschwindet.»
    Caravaggio hörte eine Münze in einen Metallkasten fallen und Tomassonis Schritte in Richtung Ausgang.
    Der Mönch näherte sich der Seitenkapelle und wartete. Caravaggio kam mit gesenktem Blick aus seinem Versteck.
    «Ihr geht besser durch die Sakristei und verlasst das Kloster durch den Hintereingang.» Der Mönch kratzte sich seine Tonsur und schob die Hände in die Ärmel seiner weißen Kutte mit dem Kreuz der Trinitarier, deren Mission darin bestand, maurische Sklaven auszulösen. «Vor dem Haupteingang wartet ein Mann auf Euch.»
    «Vielleicht sollte ich mich ihm trotzdem stellen. Ich komme schon zurecht, Pater.» Caravaggio ging zum Eingang.
    Der Mönch packte ihn am Arm. «Ich meine nicht diesen Schläger. Da ist ein anderer Mann, ein Ritter.»
    Caravaggio zitterte. Roero hatte ihn aufgespürt.
    «Hier entlang.» Der Mönch führte Caravaggio über eine Wendeltreppe. Als sie durch eine Galerie über dem Kreuzgang des Klosters gingen, warf er einen Blick aus dem Fenster. Unter ihm im Hof vor der Kirche lehnte Roero im roten Wams der Ritter an einer Säule.
    Caravaggio empfand eine Beklemmung in der Brust, als ballte sich eine Faust um sein Herz. Er folgte dem Mönch zur Rückseite des Klosters und ging auf die Straße hinaus.
    ∗
    Er betrachtete seine unvollendete
Geißelung Christi
. Jesus wand sich vor der großen Säule, an die er gefesselt war, als würde er lediglich gekitzelt. Die beiden Folterknechte, einer zu seiner Seite, der andere zu seinen Füßen, schienen sich für die Beibringung von Schmerzen genauso wenig zu interessieren wie der ehrwürdige Stifter des Bildes, ein gewisser Signor de Franchis, der auf der anderen Seite des leidenden Erlösers hockte. Caravaggio saugte an seinen Zähnen und runzelte die Stirn. Das Bild stand zu sehr in der Tradition früherer Künstler. Es war, als notierte er in Kurzschrift Dinge, die jeder Kunstsammler bereits kannte. Dinge, die nicht stimmten.
    Seit mehreren Tagen mühte er sich damit ab, den Ton der Leinwand zu ändern, und verließ kaum das Atelier. Da sich Roero und Tomassoni in Neapel befanden, war es am besten, innerhalb der Palastmauern zu bleiben und zu arbeiten. Es war ihm lediglich gelungen, eine Abneigung gegen das Gemälde zu entwickeln. Am liebsten hätte er das ganze Stück liegen gelassen,aber in der Kirche San Domenico wartete eine kahle Wand beim Hauptaltar, und der spanische Vizekönig, der über Neapel herrschte, hatte angeordnet, dass Caravaggio die Fläche zu füllen hatte. Die ganze Sache kostete ihn nur Kraft, hemmte und langweilte ihn. Er wollte sich auf den Weg nach Rom machen, zurück zu Lena. Seine Unzufriedenheit machte ihn sorglos.
    Er warf die Palette hin, streifte sich den Malerkittel über den Kopf, zog sich das Wams an, steckte eine Geldbörse ein und schob sich den Dolch in den Gürtel. Dann ging er durch die zwielichtigen Straßen zur Taverna Cerriglio.
    «Hallo,
O’ntufato
.» Stella erhob sich von dem Tisch, an dem sich die Huren versammelten. Sie hatte einen plumpen Gang; ihre Füße steckten platt und breit in den Sandalen, und ihre Hüften waren steif, so dass sie zu hinken schien. Ihr Arm schwang an der Seite vor und zurück, als ob sie damit durch die Luft paddelte. Der souveräne Gang einer Adeligen hätte nur einen Bruchteil der Schönheit ausgemacht, die Caravaggio in Stellas Plumpheit entdeckte.
    «Ich konnte nicht arbeiten, konnte mich nicht sammeln.» Caravaggio rief nach einem Krug Wein und etwas zu essen.
    «Soll ich dich von deinen Sorgen ablenken?» Sie setzte sich neben ihn, legte ihm den Arm um die Schulter und hielt ihm ihre Brüste entgegen.
    «Wenn du so hart arbeiten müsstest, hättest sogar du Sorgen.»
    Sie grinste.

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