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Mit deinen Augen

Mit deinen Augen

Titel: Mit deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaui Hart Hemmings
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solltet«, sage ich. Ich will nicht, dass sie sehen, wie Joanie stirbt. »Wir können uns jeder einen Moment aussuchen, und dann verabschieden wir uns. Wäre euch das recht? Wir können natürlich auch hierbleiben. Oder immer wieder kommen, bis ihr findet, dass es jetzt okay ist. Ihr müsst es mir nur sagen.«
    »Ihr müsst nur darauf achten, dass ihr wirklich so weit seid«, sagt Sid. Alex steht vom Bett auf und geht zu ihm, aber er verschwindet wieder hinter seiner Zeitschrift. Ich betrachte das Mädchen, das auf die Kühlerhaube krabbelt, und möchte sie anblaffen: Was machst du da eigentlich? Komm runter von dieser verdammten Kühlerhaube und geh nach Hause!
    »Ich finde das gut«, sagt Alex. »Dass jeder selbst entscheidet.«
    »Brennen Augäpfel?«, fragt Scottie.
    Ich habe keine Ahnung, was mit den Augen passiert, und ich würde mich nie trauen, danach zu fragen. Ich denke schon, dass sie brennen. Aber ich weiß es nicht.
    »Was ist?«, sagt Scottie. »Wieso schaut ihr mich alle so komisch an?«
    »Das musst du den Arzt fragen, Scottie.«
    »Denk lieber gar nicht über solche Sachen nach«, sagt Sid.
    Ich wüsste gern, was sie mit seinem Vater gemacht haben, ob er begraben wurde oder verbrannt. Und ich wüsste gern, ob sich Sid wegen der Augen seines Vaters dieselbe Frage gestellt hat.

40
    Mein Herz rast, als stünde ich auf der Bühne. Ich höre Joanies Mutter.
    »Joanie!«, ruft sie. »Joanie!«
    Ich gehe hinaus auf den Flur. Scott hat die Hände in den Taschen vergraben und schaut auf den Boden. Er schlurft mit kleinen Schritten, wie ein Kind. Alice hat sich hübsch angezogen, oder besser, ihre Pflegerin oder Scott hat sie hübsch angezogen. Sie trägt einen schwarzen Pullover und einen langen rot-weiß gemusterten Rock. Sie hat die goldenen Armreifen übergestreift, und ihre Haare sind gut frisiert. Ob sie weiß, wo sie ist?
    »Joanie! Joanie. Krüppel«, ruft sie einem Mann zu, der im Rollstuhl an ihr vorbeifährt.
    Der Mann sieht Alice verdutzt nach, aber sie geht weiter, als hätte sie nichts gesagt.
    »Hallo, Alice«, sage ich.
    Sie geht an mir vorbei, doch dann legt ihr Scott den Arm um die Schulter und führt sie ins Zimmer. »Barry müsste auch gleich kommen«, sagt er. Er schaut auf das Bett. Dann geht er zum Fenster, schiebt die Lamellen zusammen, lässt sie wieder los. Er blickt sich um und bleibt am anderen Ende des Zimmers stehen. Er verhält sich so, als müsste er mit einer Frau Unterwäsche kaufen: Offensichtlich weiß er nicht, wie er sich verhalten soll.
    »Scottie. Lass Grandpa hinsetzen.«
    »Hey, Bingo«, sagt Scott. »Ich hab dich gar nicht gesehen.« Sein Blick fällt auf Alex und Sid. »Da bist du ja wieder«, sagt er zu Sid.
    Scott setzt sich hin und zieht Scottie auf seinen Schoß.
    Alice steht neben dem Bett. Sie beugt sich hinunter und murmelt: »Was kriegt man, wenn man einen Alligator mit einem Kind kreuzt?« Die Antwort verstehe ich nicht. Ich überlege:Was kriegt man? Vermutlich einen Alligator. Leb wohl, Kind. Aus irgendeinem Grund bricht dieses Rätsel mir fast das Herz.

    Barry kommt herein, in der Hand einen Blumenstrauß und etwas, das aussieht wie ein Fotoalbum. Er weint. Er geht zu jedem von uns, bleibt kopfschüttelnd stehen und lässt sich dann in die Umarmung sinken. Als ich an der Reihe bin, lege ich ihm die offene Handfläche auf den Rücken, statt eine Faust zu machen.
    »Tag, mein Sohn«, sagt Scott.
    Ich nehme Barry die Blumen ab. Er tritt an Joanies Bett. Neben Alice.
    »Was hast du beschlossen?«, fragt Scott.
    »Wie meinst du das, Scott?«
    »Was hast du beschlossen?«
    »Ich dachte, wir lassen den Dingen ihren Lauf. Bis wir das Gefühl haben, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist.«
    »Ich meine, was hast du in Bezug auf den Käufer beschlossen? Wer ist es?«
    »Geizkragen«, sagt Alice zu den Leis aus Pikakeblüten.
    Meine Töchter scheinen auch neugierig zu sein. Ich kann diese Wissbegier nicht ertragen. Sie wollen hören, wie viel. Wie viel wir bekommen.
    »Ist das der passende Moment für dieses Thema?«
    »Wie viel bekommst du?«, fragt Scott.
    Ich sehe Barry Hilfe suchend an, vielleicht kann er seinen Vater ja bremsen, aber er sagt nur: »Dad, das kannst du doch garantiert alles in der Zeitung lesen.«
    »Ich brauche es nicht zu lesen«, entgegnet Scott. »Ich kann es hier und jetzt erfahren.«
    »Ich will nicht darüber sprechen, Scott. Es gehört nicht hierher.«
    »Ja, dir ist es natürlich gleichgültig. Eine Million mehr oder weniger - wen

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