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Mit deinen Augen

Mit deinen Augen

Titel: Mit deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaui Hart Hemmings
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Spots auch schon gesehen?«
    »Ja, das ist mir auch aufgefallen«, sage ich.
    Er hält meinem Blick stand. »Ich finde, sie sollten einem einfach sagen, was für Mittel sie anzubieten haben. Diese Zeichnungen sind widerlich.Wir wollen doch nur wissen, wie wir das, was wir haben, wieder loswerden.«
    Er konzentriert sich auf den Fernseher, und ich lasse ihn allein in dem dunklen Raum.

39
    Dr. Johnston betritt Joanies Zimmer, gefolgt von einem Mann, der meinen Kindern auf eine Art und Weise zulächelt, die mir Angst einjagt. Ehe ich gestern aus dem Krankenhaus gegangen bin, habe ich Dr. Johnston um Hilfe gebeten.Wie soll ich meiner jüngsten Tochter klarmachen, dass es keine Hoffnung gibt?
    »Wollen Sie damit sagen, sie weiß es nicht?«, fragte er.
    »Doch, doch, sie weiß es«, antwortete ich schnell. Ich musste daran denken, wie Scottie ihre Mutter küsste und dass es aussah, als würde sie versuchen, sie ins Leben zurückzuholen. »Es ist nur so, dass sie immer noch hofft, es könnte anders sein. Obwohl ich ihr alles erklärt habe. Joanies Hand hat sich bewegt, wissen Sie. Ich weiß einfach nicht weiter.«
    Er saß hinter seinem Schreibtisch, und ich spürte, wie er sich zwingen musste, mich nicht so anzusehen, als hätte ich einen großen Fehler gemacht. Seine Enttäuschung war offensichtlich. Ich schluckte meinen Stolz hinunter und erzählte ihm von dem Seeigel und den portugiesischen Galeeren, allerdings nicht von den Masturbationsfilmen und dass sie vor dem Spiegel posiert hatte. Er werde mit beiden Mädchen sprechen, sagte er, und sie einem Kinderpsychologen vorstellen, den schon viele Menschen als hilfreich empfunden hätten.
    Die Augenlider des Therapeuten sind schwer, seine Mundwinkel gehen leicht nach oben. Er sieht aus, als hätte er ausgiebig gekifft. Sein Gesicht ist gebräunt und voller Sommersprossen, sonnengegerbt, aber die Züge sind so weich, dass es wenig gibt, woran man sich festhalten könnte.
    Sid sitzt auf einem Stuhl beim Fenster und blättert in einer Zeitschrift. Auf dem Cover ist ein junges Mädchen in einem kurzen roten Kleid zu sehen, das auf die Kühlerhaube eines Mustangs krabbelt.
    »Das ist Dr. Gerard«, stellt Dr. Johnston vor.
    »Hallo miteinander«, sagt Dr. Gerard und blickt einem nach dem anderen fest in die Augen. »Du bist sicher Scottie.« Man hört seine Stimme kaum. Er streckt die Hand aus, Scottie reicht ihm ihre, aber er schüttelt sie nicht, er drückt sie nur und bedeckt sie mit seiner anderen Hand. Scottie weicht ein Stückchen zurück, aber er hält sie fest.
    »Und du musst Alex sein«, sagt er, lässt Scottie los und und geht auf Alex zu.
    »Hey.« Alex nimmt seine Hand und schüttelt sie kräftig.
    Dann verbeugt er sich leicht vor mir. Ich sehe, dass in seiner Brusttasche ein Stift steckt, und an dem Stift befindet sich ein Tintenfisch aus Gummi. Als Dr. Gerard merkt, dass ich das Ding anstarre, tut er so, als wollte er ihn mir zuwerfen; er macht einen Riesenzirkus, und als er ihn schließlich wirft, lasse ich ihn auf dem Boden landen, vor meinen Füßen. Beim Aufprall fängt er an zu leuchten.
    »Sein Licht fällt auf Sie«, sagt Dr. Gerard.
    Scottie hebt den Gummitintenfisch auf. Er blinkt in ihrer Hand.
    »Mein kleines Spielzeug«, sagt er.
    Scottie zieht einen der Fangarme lang und lässt ihn wieder los, sodass er zurückschnappt.
    »Ein lustiges Tierchen«, sagt der Psychologe. »So viele Abwehrmechanismen! Zum Beispiel der Tintenbeutel. Ihr wisst ja sicher, wozu die Tinte da ist. Der Tintenfisch benutzt sie als Ablenkungsmanöver, als eine Art Schutzmantel, um seinen Verfolgern zu entkommen.«
    Dr. Johnston starrt auf den Fußboden. Sid schielt kurz über den Rand seiner Zeitschrift und taucht dann schnell wieder ab.
    »Tintenfische gehören zur Familie der Kraken, und die können sich tarnen, damit ihre Verfolger sie nicht mehr sehen. Manche können sogar ein Nervengift verspritzen, andere können gefährliche Tiere imitieren, wie zum Beispiel den Aal. Ich glaube, ich trage ihn mit mir herum, damit er mich an alle unsere Abwehrmechanismen erinnert - unsere Tinte, unser Gift, unsere Tarnmanöver, mit denen wir versuchen, unseren Schmerz zu vermeiden - alles, was uns wehtut.« Er zuckt die Achseln, als wäre ihm dieser Gedanke gerade erst in den Sinn gekommen.
    »Was ist das?«, brummelt Sid. »Ein Vortrag über Tintenfische?«
    Ich muss ein Grinsen unterdrücken. Gut, dass Sid wieder da ist! Er ist sichtlich stolz auf sich, auch wenn er es sich nicht

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