Mit deinen Augen
interessiert das schon.«
»Was ist das Problem?«
Scottie sitzt wie erstarrt auf seinem Schoß. Scott richtet sich auf, als wollte er sich erheben, und sie rutscht herunter, doch dann setzt er sich wieder hin. Er weicht meinem Blick aus, und auf seinem Gesicht erscheint ein grausames, hämisches Grinsen. »Es ist schon lustig, dass Joanie ausgerechnet jetzt, da du das große Los ziehst, so viel leiden muss.«
»Es ist überhaupt nicht lustig«, sage ich. »Nicht mal andeutungsweise.«
Gestern haben sich die Vettern um Hugh geschart, und er hat ihnen alles verklickert, und ich fand es gut, wie er das machte - neutral und unparteiisch, aber klar und bestimmt. Sein Ton duldete keinen Widerspruch; niemand sträubte sich, niemand seufzte dramatisch. Ich weiß, dass ihre Reaktion etwas mit Joanie zu tun hatte. Sie hätten protestiert, wenn sie gesund wäre. Jetzt werden sie warten, bis etwas Zeit verstrichen ist.
Hugh stellte mich als etwas verwirrt, aber entschlossen dar. Als optimistisch und mutig. Ralph klopfte mir auf die Schulter. Cousin Six sagte: »Mir egal. Ich bin sowieso demnächst tot.«
»Du warst ihr gegenüber immer extrem egoistisch«, sagt Scott. »Sie hat dir alles gegeben. Ein schönes, glückliches Heim.«
»Scott«, sage ich. »Was soll das?«
Wieder schaue ich zu Barry, aber der schaut Joanie an, und ich weiß, dass er derselben Meinung ist wie sein Vater, denn sonst würde er mir beispringen.
»Wir haben gut gelebt«, sage ich. »Sogar besser als gut. Du denkst, sie war unglücklich, weil ich ihr nicht genug gegeben habe? Bist du deswegen wütend?«
»Sie wollte ihr eigenes Boot.«
»Das konnte ich mir nicht leisten! So viel Geld habe ich nicht zur Verfügung. Das liegt alles fest. Wir leben von meinem Gehalt. Ich werde das Geld aus dem Fonds verwenden, um für das College zu bezahlen, ich nehme es für die Punahou School, und das ergibt schon achtundzwanzigtausend für die beiden. Plus Stimmbildung und Tanzunterricht, Sommercamp - die Liste ist endlos.«
Die Mädchen scheinen beunruhigt und irgendwie gekränkt. So ist das bei privilegierten Kindern - sie vergessen, dass ihre Lehrer bezahlt werden müssen. Sie vergessen, dass alles etwas kostet, gleichgültig, ob sie bei einem Theaterstück mitmachen oder ob sie im Glasbläserkurs eine Bong fabrizieren. Ich bin überzeugt, dass arme Kinder ganz genau wissen, wie teuer die Sachen sind. Jede Kleinigkeit. Ich sehe über Scotts Kopf hinweg auf die Wand und will daraufschlagen. Warum rede ich über Kurs-Gebühren? Wieso verteidige ich mich überhaupt?
»Sie hätte ihr eigenes Boot haben sollen, ein Boot, das sie richtig gut kennt. Dann wäre sie jetzt nicht …« Er deutet auf seine Tochter.
»Erstens saß sie gar nicht am Steuer, und dafür kannst du wirklich nicht mir die Schuld geben. Ich habe damit nichts zu tun!«
»Sie hätte es verdient, mehr von dir zu bekommen«, sagt er und sieht mir fest in die Augen. Ich fasse es nicht, dass er das sagt, besonders vor den Mädchen. Und ich kann mich nur mühsam beherrschen. Fast wäre mir die Wahrheit herausgerutscht. Ich könnte Scott sagen, dass Joanie mich betrogen hat - dass ich meinerseits auch mehr verdient hätte. Ich könnte ihm sagen, dass sie uns allen das Herz gebrochen hat.
»Ich weiß«, sage ich. »Sie hätte mehr verdient.« Und mir ist klar, dass es stimmt. Ich sage es nicht nur so dahin, um ihn zu besänftigen. Ich atme tief durch und rufe mir ins Gedächtnis, dass er ihr Vater ist. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn eine meiner Töchter auf diesem Bett läge. »Du hast recht«, sage ich. »Es tut mir sehr leid.«
»Meine Güte, seien Sie doch nicht so streng zu dem Mann!«, sagt Sid.
»Find ich auch, Grandpa«, sagt Scottie.
»Dad hat getan, was er konnte«, sagt Alex.
Ich bin schockiert, es ist mir fast peinlich, und ich habe Angst, Scott könnte denken, ich habe die Mädchen bestochen, das zu sagen. Unsere Einheitsfront fühlt sich komisch an, als wären wir eine andere Familie. Eine dieser glücklichen Familien, denen ich gelegentlich begegne. Und ich denke: Sind wir das ? Entdecken wir etwas Neues, trotz allem? Aber wie und wer auch immer wir sind - es hinge auf jeden Fall damit zusammen, dass Joanie nicht mehr da ist. Erst ihr Schweigen hat es uns ermöglicht. Ich denke daran, dass Sid zu seiner Mutter gesagt hat, der Tod seines Vaters sei das Beste, was ihnen passieren konnte, und ich begreife, dass er das nicht gesagt hat, um gehässig oder gemein
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