Mit deinen Augen
am besten kennt und am meisten liebt. Dass sie ihn vielleicht am sehnlichsten herbeiwünscht. Er weiß nicht, was los ist, und das ist unfair. Wenn ich meine Gefühle beiseiteschiebe, wird mir klar, welchen Schmerz diese Ahnungslosigkeit mit sich bringen kann - für ihn, für sie und letztlich wohl auch für mich. Jetzt weiß ich, wer fehlt und was zu tun ist. Ich muss ihm sagen, er soll aus Kauai zurückkommen, um sich von Joanie zu verabschieden. Ich muss ihn in meine Überlegungen einbeziehen. Ich muss ihn zu ihr bringen.
23
Die Kinder haben einen Film gesehen, in dem zwei bekiffte Jungs verrückt nach Hamburgern sind. Ich habe Mühe, Alex zu folgen, als sie mir erklärt, dass es eigentlich um viel mehr ging als um Hamburger. Ich versichere ihr, dass ich ihr glaube.
»Findest du, er hätte es verdient, von ihr Abschied nehmen zu können?«, frage ich sie dann.
Sie steht in der Tür zu meinem Zimmer, was bedeutet, dass sie guter Laune ist.Wenn sie früher mit Freunden ausgegangen ist, kam sie danach oft an unsere Tür und erzählte von ihrem Abend, während Joanie und ich schon im Bett lagen. Sie hat mich und ihre Mutter zum Lachen gebracht, und dann zog sie die Situation immer ein bisschen in die Länge, damit wir noch mehr lachen. Ich mag es, wenn sie im Türrahmen steht.
»Redest du vom ihm ? Du willst es ihm sagen, damit er sich verabschieden kann?«
»Ja«, antworte ich. »Brian.«
»Nein«, erklärt Alex. »Das ist verrückt.«
»Wirklich?«
Ihr Blick fällt auf das Diktiergerät in meiner Hand.
»Nimmst du das hier auf?«
»Nein, Alex, ich habe eine Aussage zusammengefasst.«
»Wie kannst du arbeiten?«
»Wie kannst du dir einen Film anschauen? Wie kannst du einen Freund einladen?«
Sie wendet den Blick ab. Die Hälfte des Zimmers ist von meiner Lampe erhellt, die andere Hälfte liegt im Dunkeln. Hinter der Fensterfront zeichnet sich die Silhouette des Berges ab. Mich erinnert das immer an ein Panoramafoto.
»Du willst ihm sagen, er soll kommen, um sich zu verabschieden?«
»Ja.« Allerdings möchte ich ihm, bevor ich den Gutmenschen spiele, erst mal ein » Fuck you « entgegenschleudern.
»Du bist ein besserer Mensch als ich«, sagt Alex.
»Stimmt nicht.«
Sie schüttelt den Kopf, und ich denke, dass ich jemanden um Verständnis bitte, der viel älter ist als sie.
»Ich hätte es gern, dass du mit mir nach Kauai fährst«, sage ich. »Und Scottie ebenfalls. Ihr würde es sicher guttun, mal einen Tag aus dem Krankenhaus rauszukommen. Wir können gleich morgen früh losfahren, ihn suchen, und morgen Abend sind wir wieder zu Hause.Wenn wir einen Tag länger brauchen, ist das auch nicht schlimm, aber länger als zwei Nächte bleiben wir auf keinen Fall. Das ist die Frist, die wir uns setzen. Wenn wir ihn bis dahin nicht gefunden haben, wissen wir wenigstens, dass wir’s versucht haben.«
»Und dann geht’s dir besser?«
»Wir tun es für sie«, sage ich. »Nicht für ihn oder für mich.«
»Was, wenn es ihn total umwirft? Wenn er zusammenbricht?«
»Dann kümmere ich mich um ihn.« Ich stelle mir vor, wie sich Brian Speer an meiner Schulter ausheult. Ich stelle mir vor, wie er neben meinen Töchtern an Joanies Bett steht und wir peinlich berührt sind, weil er ihr Liebhaber ist und laut schluchzt. »Nur damit du’s weißt: Ich bin wütend. Ich bin weder edel noch großmütig. Ich will das für sie tun, aber ich will auch sehen, wer er ist. Ich möchte ihm ein paar Fragen stellen.«
»Dann ruf ihn doch an. Sag seiner Sekretärin, es ist ein Notfall. Dann ruft er dich garantiert zurück.«
»Ich möchte es ihm aber persönlich mitteilen. Ich habe es niemandem telefonisch gesagt und fange jetzt nicht damit an.«
»Troy hast du angerufen.«
»Troy zählt nicht. Ich muss das einfach tun. Am Telefon kann er ausweichen.Wenn ich vor ihm stehe, gibt es keinen Fluchtweg.«
Wir schauen beide weg, als sich unsere Blicke treffen. Alex hat die Schwelle nicht überschritten. Das tut sie nie bei diesen nächtlichen Gesprächen.
»Hattet ihr eigentlich Schwierigkeiten?«, fragt sie. »Hat sie dich deswegen betrogen?«
»Aus meiner Sicht hatten wir keine Schwierigkeiten«, sage ich. »Ich meine - es war wie immer.«
Das war das Problem: dass unsere Ehe wie immer war. Joanie brauchte Unebenheiten, sie brauchte steiniges Terrain. Es ist komisch, dass ich jetzt so oft in Gedanken bei ihr bin, aber als ich sie direkt vor mir hatte, habe ich nicht viel über sie nachgedacht.
»Ich war nicht der
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