Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit deinen Augen

Mit deinen Augen

Titel: Mit deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaui Hart Hemmings
Vom Netzwerk:
Scottie setzt sich auf den Vordersitz und schnallt sich an. »Fahr los«, befiehlt sie, und obwohl ich am liebsten alles rückgängig machen würde und kurz davor bin, entweder zu schreien oder loszuheulen, lege ich den Gang ein. Ich mache diesen seltsamen Umweg und hoffe das Beste.

25
    Die Schlange bei der Sicherheitskontrolle ist länger, als sie sein sollte.Trotzdem wirken die meisten Wartenden ganz zufrieden, was mich irritiert. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man vor Wut kocht und um sich herum überall nur entspannte Mienen sieht. Die Kontrolleure spähen in jede Tasche, obwohl wir nur innerhalb des Inselreichs fliegen.
    »Wetten, das machen die nur, um sich aufzuspielen? Als ob sie damit jemandem imponieren könnten!«, sagt Alex.
    Wenigstens gehört meine Tochter nicht zu den Glücklichen und Zufriedenen. Wir schauen zu, wie ein Mann die Tasche einer Frau durchwühlt. Sie hat strohige weiße Haare und einen Buckel, so groß wie ein Schutzhelm. Der Mann schüttelt ein Päckchen und legt es wieder zurück in die Tasche. Das hätte eine Bombe sein können , bin ich versucht zu sagen. Wenn du schon kontrollierst, dann wenigstens richtig!
    Die vier Jungs vor uns werden gefragt, wo ihre Schuhe sind.
    »Wir haben gewusst, dass wir sie ausziehen müssen«, sagt einer von ihnen. »Da dachten wir, wir brauchen gar keine anziehen.«
    »Wir brauchen keine anzuziehen«, murmelt Scottie. Die Männer drehen sich zu ihr um. Alle vier tragen Ketten aus Haifischzähnen um den Hals, und ihre Bäuche sind rund und prall. Einer hat eine Ukulele dabei, und um sein rechtes Bein rankt sich ein Stammestattoo. Ein anderer trägt ein Tanktop, das eine Seite seines Oberkörpers komplett frei lässt, sodass man den dunklen Nippel und die buschigen Achselhaare sieht. Ich schaue Scottie an und tue so, als würde ich sie nicht kennen.
    »Sie brauchen Schuhe«, sagt die Kontrolleurin.
    »Warum?«, fragt der Kleinste der Gruppe. Die Beamtin zieht einen Fisch aus seiner Kühlbox. Er ist schwarz, mit fetten geöffneten Lippen und weit aufgerissenen Glupschaugen. Wie erschrocken er aussieht! Die Frau fasst den Fisch am Schwanz, und die Typen schauen voller Stolz zu.
    »Krass«, sagt Scottie.
    Alex zieht Scottie am Ärmel zurück und redet auf sie ein.
    »Guter Fang«, sagt Sid, und die Jungs nicken. Ein weiterer Sicherheitsmann kommt zum Tisch und winkt mich vor. Ich habe nicht viel Handgepäck, nur meine Brieftasche und ein bisschen Arbeit in einem Hefter. Er wirft einen oberflächlichen Blick hinein und wendet sich dann den Mädchen zu. Ich presse die Lippen aufeinander. Wenn ich eine Bombe dabeihätte , will ich sagen, würde ich sie dann nicht besser verstecken? Scotties Tasche übergeht er, untersucht aber die von Alex wesentlich gründlicher als meine. Er zieht eine Packung rote Marlboros heraus.
    Scottie japst vor Schreck und schaut mich mit weit aufgerissenen Augen an, ähnlich wie der Fisch. »Wirst du sie jetzt schlagen?«
    Der Mann sieht mich an, zögert kurz und reicht mir dann die Zigaretten.
    Ich gebe sie ihm zurück. »Sie ist volljährig«, sage ich zu ihm, aber die Bemerkung ist für Scottie gedacht. »Sie ist für sich selbst verantwortlich.«
    Geradezu ehrfürchtig verfolgt Scottie, wie die Zigarettenschachtel wieder in der Tasche ihrer Schwester verschwindet, und als wir zum Flugsteig gehen, denke ich, dass sich etwas verändert hat. Alex läuft neben mir, und Scottie tappt wortlos hinter ihr her. »Waren das deine Zigaretten, Sid?«, fragt sie schließlich.
    »Nein«, antwortet er und klopft sich auf die Hosentasche. »Meine sind hier.«
    Scottie schaut mich an, fast sauer, weil ich nicht mit ihrer Schwester schimpfe.
    »Lass gut sein, Scottie«, sagt Alex.

    Während des Flugs schweigt Scottie die ganze Zeit, und Alex liest Zeitschriften über bedrohlich dünne Schauspielerinnen. Scottie schreibt in ein Notizbuch. Die Mädchen sitzen links und rechts von mir, als hätte ich Flügel. Sid sitzt auf der anderen Seite des Gangs. Ich schaue zu ihm hinüber. Er studiert hochkonzentriert das laminierte Blatt mit den Sicherheitshinweisen. Die Stewardess verteilt Guavensaft. Die barfüßigen Jungs haben es erstaunlicherweise bis ins Flugzeug geschafft; ich höre einen von ihnen Ukulele spielen. Mein Kopf ist leer. Ich sollte mir eine Strategie zurechtlegen, aber mehr als ein Finde ihn! bringe ich nicht zustande.
    Scottie schreibt beharrlich.
    Alex schaut aus dem Fenster und wirkt niedergeschlagen. Ich stoße sie an. »Was ist,

Weitere Kostenlose Bücher