Mit deinen Augen
ideale Ehemann«, sage ich.
Alex schaut aus dem Fenster, um meiner Beichte auszuweichen. »Wenn wir fahren - was sagen wir dann Scottie?«
»Sie wird denken, dass wir einfach ein paar Tage wegfahren. Ich möchte, dass sie mal rauskommt.«
»Das hast du schon gesagt. Und warum soll ich mit?«
»Ich möchte, dass wir alle zusammen sind. Das brauchen wir. Bitte.«
»Aha, plötzlich bin ich also wieder im Boot?«
»Alex.Was gerade passiert, ist wichtiger als du. Es tut mir leid, dass du eine unglückliche Kindheit hattest.«
Sie funkelt mich an, auf ihre ganz spezielle Art, genau wie Joanie, und ich fühle mich nutzlos und lästig.
»Das heißt, wir erzählen Scottie, dass wir eine kleine Ferienreise unternehmen, während Mom im Krankenhaus liegt?«
»Es sind doch nur ein, zwei Tage«, erkläre ich. »Scottie ist seit einem Monat fast jeden Tag im Krankenhaus. Sie braucht eine Pause. Sie ist überfordert. Mir wäre es recht, wenn du es übernehmen würdest, mit ihr zu reden, falls sie Fragen hat. Sie bewundert dich.Wenn du etwas sagst, gilt das für sie.«
Ich hoffe, wenn Alex die Führungsrolle und eine spezifische Aufgabe hat, benimmt sie sich erwachsener und ist nett zu Scottie.
»Würdest du das tun?«
Sie zuckt die Achseln.
»Wenn du nicht zurechtkommst, sag mir Bescheid. Ich helfe dir. Ich bin für dich da.«
Alex lacht. Ich frage mich, ob es Eltern gibt, die ihren Kindern Dinge wie »Ich liebe dich« oder »Ich bin für dich da« sagen können, ohne ausgelacht zu werden. Ich muss zugeben, dass ich mich nicht besonders wohl dabei fühle. Zärtlichkeitsbekundungen sind mir, ganz allgemein, immer peinlich.
»Was ist, wenn Mom keine zwei Tage mehr durchhält?«
»Sie wird durchhalten«, sage ich. »Ich sage ihr, was wir vorhaben.«
Die Vorstellung, dass das, was ich sage, bewirken wird, dass ihre Mutter leben möchte, scheint Alex nicht zu gefallen. »Ich nehme Sid mit«, sagt sie. »Wenn er nicht mitgeht, komme ich auch nicht mit.«
Ich will schon protestieren, aber dann sehe ich ihren Blick und weiß, es wäre nur ein weiterer Kampf, den ich verlieren würde. Der Junge hat irgendetwas, was ihr hilft. Und Scottie mag ihn ja auch. Er schafft es, sie abzulenken. Er kann mich unterstützen.
»Na gut«, sage ich. »Abgemacht.«
Ich rufe die Maklerin an, die mit Alex gesprochen hat. Sie weiß nicht, wo Brian sich einquartiert hat, oder sie will es mir nicht sagen, aber sie teilt mir immerhin mit, dass er in Hanalei ist. Ich drucke eine Liste der Hotels in Hanalei aus und rufe eins nach dem anderen an, aber ohne Erfolg. Ich buche zwei Zimmer im Princeville. Komisch, dass Brian nicht dort übernachtet. Entweder wohnt er in einem nicht aufgelisteten Bed & Breakfast, oder er hat ein Haus gemietet, oder er hat noch nicht eingecheckt. Ich weiß nicht weiter. Ich muss ihn finden, aber selbst wenn ich einfach so hinfahre, laufen wir uns bestimmt irgendwo über den Weg. Auf Inseln passiert so etwas, und erst recht in einem Ministädtchen wie Hanalei.
Ich überlege, worum ich mich noch kümmern muss, bevor wir losfahren. Ich muss diesen Antrag abschließen und jemanden bitten, eine Aussage aufzunehmen. Ich muss meine Töchter dazu bringen, mit mir an einem Strang zu ziehen. Ich muss Sid dazu bringen, nach Hause zu gehen.
Ich muss bei meiner Frau sein, ich muss meiner Frau verzeihen. Ich muss es schaffen, sie anzuschauen, ohne an ihn zu denken.
Ich muss mit Joanies Arzt sprechen. Ich rufe Sam im Krankenhaus an, und als ich ihn nicht erreiche, versuche ich es bei ihm zu Hause.
»Nein«, sagt er. »Ich kann es nicht länger hinauszögern.« »Ich brauche nur noch ein paar Tage«, sage ich. »Im Grund nur noch einen Tag. Ich muss nach Kauai fahren und jemanden holen.«
Er erklärt mir, dass er sich jetzt, da das irreversible Koma offiziell festgestellt wurde, an die Patientenverfügung halten muss. Morgen ist es so weit. »Aber es ist okay«, sagt er. »So viel Zeit haben wir noch.«
Ich packe meine Koffer und hoffe, dass er recht behält.
DRITTER TEIL
Die Opfergabe
24
E s ist ein wunderschöner Morgen. m m m m m m m. Ich stehe vor Joanies Hälfte des großen, begehbaren Kleiderschranks und berühre ihre Sachen. Dann schließe ich die Augen, gehe hinein und lasse ihre Blusen und Kleider über mich gleiten. Heute wird das Beatmungsgerät abgestellt, alle lebenserhaltenden Apparate werden aus dem Zimmer entfernt, und wir, ihre Familie, wir lassen sie allein. Ich fühle mich nicht wohl dabei, aber es muss
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