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Mit deinen Augen

Mit deinen Augen

Titel: Mit deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaui Hart Hemmings
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Hawaii, würde sie sich trennen. Sie würde mich verlassen wegen eines Mannes, den sie formen kann.
    Hugh pfeift. Es ist ein Geräusch, wie wenn in einem Zeichentrickfilm jemand von der Klippe stürzt.
    Die alten Männer spielen jetzt ein langsames Lied auf ihren Ukulelen, es klingt wie ein Choral, ein Abgesang auf meinen Verlust. Wenn Joanie gesund wäre und ich das alles erfahren würde, dann würde ich ihr, jedenfalls vorübergehend, das Schicksal an den Hals wünschen, das sie jetzt erleidet. Aber für Brian könnte ich immer noch alles vermasseln. Ich könnte einen anderen Bewerber auswählen.
    »Es gibt noch andere Interessenten«, sage ich zu Hugh.
    »Vielleicht bekommt er gar nichts.« Ich kann immer noch gewinnen, Joanie . Ich stelle sie mir vor, wie sie reglos in ihrem Bett liegt; ihr Körper bekommt allmählich offene Wunden vom Liegen, und das Make-up verkrustet in den Poren, weil niemand da ist, um es abzuwaschen. Niemand darf etwas für sie tun, weil sie es verboten hat. Nein, ich kann nicht gewinnen. Niemand kann gewinnen. Selbst Brian nicht, weil er sie nicht haben kann.
    Ich leere mein Glas. Der Alkohol hat in meiner Brust eine wütende Hitze entfacht, die sich jetzt im ganzen Körper ausbreitet.
    »Er kriegt den Zuschlag«, sagt Hugh. »Wir alle wollen Don. Du doch auch.« Er stellt sein Glas mit Schwung auf die Theke, sieht mich an und grinst. Seine stählernen Augen sind eisig in ihrer Entschlossenheit - ich merke, dass sie nicht mit dem Rest des Körpers gealtert sind. Seine Augen sind nicht niedlich. Sie sind jung und schlau, und ich weiß, er sagt mir, was ich tun soll. Er teilt mir mit, dass meine Beziehung zur Familie leiden wird, wenn ich nicht mache, was er will. Ich denke an Racer und dass er, um seine Familie zufriedenzustellen, nicht heiraten wird, und ich weiß, ich sitze in der Falle.
    »Wir sehen uns morgen«, sage ich. Morgen ist der Tag, an dem meine Vettern und ich verabredet sind. Morgen muss ich meinerseits Leute zufriedenstellen, die ich kaum kenne, mit denen ich aber unzertrennlich verbunden bin und denen ich verpflichtet bin.
    »Bleib nächstes Mal ein bisschen länger«, murmelt Hugh, seine übliche Abschiedsfloskel.
    Er rutscht von seinem Hocker, nickt dem Bartender zu und hebt die Hand, um sich vom Restaurant zu verabschieden. Dabei schaut er die ganze Zeit auf den Boden, als ginge er über gefährliches Terrain. »Hana hou«, ruft er den Musikern zu, setzt seinen Cowboyhut auf und verschwindet nach draußen.
    Ich gehe zu meinem Tisch, zu dem Essen auf meinem Teller.
    »Das rockt«, sagt Sid.
    »Ja, total«, pflichtet Scottie ihm bei und lässt dafür sogar kurzfristig den Strohhalm los, taucht aber gleich wieder zu ihm hinunter.
    Mir kämen bestimmt die Tränen, wenn ich meine Töchter jetzt zu genau ansehen würde, also lasse ich es lieber bleiben. Ich wende mich den alten Männern zu. Ob ich auch eines Tages ein alter Mann sein werde? Oder werde ich früh sterben? Ich schiebe mir einen Bissen in den Mund, kann aber gar nicht richtig schlucken - etwas Nervöses, Trauriges ergreift Besitz von meinem Körper, wie eine Droge, und mein Hals ist zugeschwollen.
    Scottie scharrt mit den Füßen. »Ich habe Mahimahi bestellt, aber es ist nur geröstetes Brot, glaube ich«, meckert sie. »Das Fischzeug haben sie vergessen.«
    »Das kommt vor«, sage ich.
    »Meins war supergut«, sagt Sid. »Ich mag alles, was in Fett gebacken ist. Käse, Gemüse, Obst.«
    Alex’Teller ist leer. Sie sitzt entspannt auf ihrem Stuhl und betrachtet voller Zuneigung die Musiker. Ich wette, im Moment denkt sie einfach gar nichts, und ich freue mich für sie.
    Die Musiker spielen mit großem Schwung den letzten Akkord und reißen dann die Hand, mit der sie gezupft haben, schwungvoll himmelwärts. Ein paar springen von ihren Stühlen und beugen sich vor, als würden sie sich bei einem Wettrennen in die Ziellinie werfen. Die Mädchen und Sid jubeln und klatschen. Scottie stampft mit den Füßen. Ich senke den Blick und schaufle mir Essen in den Mund - in der Hoffnung, so die Gefühle zu unterdrücken, die überzuquellen drohen. Ich versuche, mich ganz auf das Touristenpaar zu konzentrieren. Die Hand des Mannes ist durch die Bastdeko am Tisch verdeckt, aber ich kann mir denken, dass sie auf dem Oberschenkel der Frau liegt. Sie hat ihren Lei abgenommen, er hängt an der Lehne eines freien Stuhls. Auf dem Tisch stehen Bierflaschen und Eisbecher mit Papierschirmchen. Die Frau hat sich eins dieser

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