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Mit deinen Augen

Mit deinen Augen

Titel: Mit deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaui Hart Hemmings
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»Cousin Hugh!«
    Ich mustere sie misstrauisch, weil ich nicht weiß, ob sie es vielleicht sarkastisch meint. »Soll das ein Witz sein?«
    »Nein«, sagt sie. »Ich mag Cousin Hugh.«
    »Warum?«
    Sie blickt wieder zur Bar und kneift die Augen zusammen.
    »Er ist alt und lustig.«
    Ich betrachte Hugh, seinen wilden weißen Haarbusch, den breiten Oberkörper, die dürren Beine. Den größten Teil meines Lebens fand ich ihn eher bedrohlich, weil er massiv gebaut ist und einen scharfen Verstand hat, aber ich vermute, wenn der Mensch ein bestimmtes Alter erreicht, wird aus bedrohlich »niedlich«, und genau deswegen habe ich irgendwie ein schlechtes Gewissen.
    »Okay - bestellt mir schon mal etwas. Egal, was. Und seid nett zu der Kellnerin. Sprecht Pidgin. Nicht Englisch. Ihr wisst schon.«
    Sie nicken. Sie haben verstanden. Sid setzt sich aufrecht hin und studiert die Speisekarte, als wäre er jetzt der Boss.
    Ich gehe zur Bar. »Hallo, Hugh«, sage ich.
    »Eh!«, ruft er und erhebt sich halb, lässt sich aber gleich wieder auf den Hocker sinken. Ich setze mich neben ihn und versuche, den Bartender auf mich aufmerksam zu machen, doch der bleibt, wo er ist, und schaut absichtlich in die andere Richtung. Hugh ruft ihn zu uns und bestellt mit seiner heiseren Raucherstimme einen Old-Fashioned für mich, was gut klingt. Er klopft mir auf die Schulter, und der Bartender nickt fast ehrfürchtig. Hugh dreht den Kopf, um zu sehen, mit wem ich hier bin.
    »Sind das …«
    »Scottie und Alex«, sage ich.
    »Schon ganz schön erwachsen, deine Mädchen«, sagt er und dreht sich wieder zu mir.
    Manchmal bin ich froh, dass sich eigentlich niemand für seine Mitmenschen interessiert. Sonst würde Hugh jetzt nämlich die Mädchen begrüßen und sich nach ihrem und meinem Befinden erkundigen, weil ihm eingefallen wäre, dass meine Frau im Koma liegt. Aber das tut er nicht, und ich bin ihm dankbar.
    »Ich höre, du hast Hausgäste«, sage ich.
    »Wie bitte?«
    »Im Cottage wohnen Leute.«
    »Ach so. Ja, klar. So ein ehrgeiziger Streber. Er ist, äh, der Schwager von Lous Schwester - das heißt, nein. Lou hat eine Schwester, und der Mann der Schwester - also Lous Schwager - ist ein Cousin der Frau dieses Mannes.«
    »Aha«, sage ich, obwohl ich ihm nicht folgen kann.
    »Nein, warte. Von welchem Cottage redest du?«
    Hugh ist betrunken. An seinem Haaransatz hat sich eine Kette aus riesigen Schweißtropfen gebildet. Ich kenne dieses Phänomen seit meiner Kindheit.Wenn er besoffen ist, erscheint immer diese Schweißperlenkette, und er bemüht sich, ein betont ernstes Gesicht zu machen, um das Chaos in seinem Kopf zu kaschieren. Jetzt macht er auch so ein Gesicht. »Meinst du das Cottage in der Bucht oder das weiter landeinwärts, beim Pfad?«
    »Das in der Bucht«, sage ich. »Der Typ mit der Frau und den beiden Jungen.« Der Bast streift meine Schenkel, und ich überprüfe, ob sich vielleicht alte Fischstückchen darin verfangen haben.
    »Ach so, klar. Jaja, ein ehrgeiziger Streber.« Hugh beugt sich näher zu mir und spricht mit meinem Kinn. »Ich mache Geschäfte mit so einem Typ - und dieser Streber da - also der im Cottage bei der Bucht -, der ist ein Freund von ihm.«
    »Sehr freundlich von dir«, sage ich. »Dass du die Leute da wohnen lässt, meine ich.«
    Hugh zuckt die Achseln und hält sich plötzlich an seinem Hocker fest. Wahrscheinlich hat er Angst runterzufallen.
    »Und - wie ist er so?«, frage ich.
    »Wer?«
    »Ach, egal.«
    »Hana hou!«, ruft Hugh den Musikern zu, die gerade einen Song zu Ende gespielt haben. Sie beginnen gleich das nächste Lied, wieder eine schnelle Nummer, und ich beobachte die alten Männer, wie sie singen und wie verrückt schrammeln, die kleinen Holzinstrumente dicht vor der Brust. Einer steht und holt beim Spielen weiter aus, als bräuchten seine Finger die zusätzliche Unterstützung seines Körpers. Sie haben alle dunkle, knorrige Hände. Ich sehe zu meinen Töchtern hinüber, die ebenfalls wie gebannt zuhören. Scotties Lippen umschließen einen Strohhalm, der in einem weißen Frucht-Drink steckt.
    Der Bartender schaut immer wieder zu mir, um sich zu versichern, dass auch alles in Ordnung ist. Als wollte er seine anfängliche Unhöflichkeit wiedergutmachen. Ich nicke, und er blickt zur Tür, durch die gerade ein Paar kommt. Der Mann hat ein Aloha-Shirt an, und die Frau trägt einen Lei aus violetten Orchideen um den Hals, so wie das Hotel sie den Gästen bei der Ankunft überreicht. Sid hat seinen

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