Mit deinen Augen
wie gern ich das tun würde. Ich möchte mich zurücklehnen, mich entspannen, die Saitenstimmung lockern.Wenn wir doch hierbleiben könnten und nie mehr nach Hause müssten. Aber das geht nicht. Ich muss arbeiten.
Ich habe dem älteren Sohn aufgetragen, er soll seiner Mutter sagen, es tue mir leid. Wenn er mich jetzt fragen würde: »Was tut Ihnen leid?«, würde ich ihm antworten: »Das, was ich jetzt tun werde.«
32
Wir gehen die Straße an der Bucht entlang. Obwohl Alex schon erwähnt hat, dass es noch früh ist, überrascht mich die Beleuchtung: Die Sonne versinkt blutrot im Meer. Scottie ist vor uns, pflückt Blumen von den Rasenflächen vor den Häusern.
Alle denken, wir gehen ins Hotel. Alle denken, wir haben versagt.
»Achte darauf, dass sie nichts von den Bäumen rupft«, sage ich zu Sid. »Und sag ihr, sie soll den nächsten Strandzugang nehmen.«
Er sieht erst mich an, dann Alex, als würden wir eine Verschwörung gegen ihn planen. »Ja, klar.« Er läuft zu Scottie vor, und als er bei ihr ist, verwuschelt er ihr die Haare. Sie boxt ihn an die Schulter, dann wirft sie ihren Blumenstrauß in die Luft. Sid versucht, möglichst viele Blumen aufzufangen.
Ich sehe, wie Alex ihn beobachtet. Ihr nachdenklicher Gesichtsausdruck lässt sie älter erscheinen. »Diese Frau heute«, sage ich zu ihr, »die Frau mit den zwei Jungen. Sie ist seine Ehefrau.«
»Das ist ein Witz, oder?« Alex bleibt stehen und schaut mich an. »Hottie mit dem Hut?«
»Kein Witz. Sie ist es«, sage ich. »Hottie?«
»So nennt man eine Frau, die gut aussieht«, sagt sie. »Du weißt schon - hot , wie heiß. Aber wie hast du erfahren, dass sie seine Frau ist?«
»Ich habe heute Morgen gesehen, wie sie mit ihren Kindern aus dem Cottage kam.« Ich gehe weiter.
»Wieso hast du nichts gesagt?«
Ich antworte nicht.
»Ich kann’s nicht fassen, dass er eine Familie hat. Was machst du jetzt?«
Hinter uns hören wir einen Wagen. Wir weichen beide aus, Alex zur einen Straßenseite, ich zur anderen. Als das Auto vorbei ist, kommt sie zu mir.
»Ich werde es ihm sagen«, sage ich.
»Wann?«
»Jetzt. Deswegen sind wir ja hier. Um es ihm zu sagen, oder?«
»Aber was ist mit ihr?«
Ich denke an den feinen Hut, den das Wasser ruiniert hat. Ich denke an ihre Beine.
»Du willst einfach hingehen und ohne Vorwarnung an die Tür klopfen?«, fragt Alex.
»Ja. Genau das habe ich vor.«
Alex bleibt der Mund offen stehen, und ihre Augen blitzen.
»Guck nicht so!«, sage ich. »Nicht so begeistert. Dafür gibt es keinen Grund. Es macht keinen Spaß.«
»Ich habe doch gar nicht behauptet, dass es Spaß macht. Warum sagst du das?«
»Ich seh’s dir doch an«, sage ich. »Deinem Gesicht.«
Sie weiß noch nichts von der neuesten Entwicklung - davon, dass dieser Typ mehr erben wird als meine Frau. Dass er unsere gesamte Vergangenheit bekommen wird.
»Eventuell kommt er im letzten Flieger mit uns mit«, sage ich. »Um sich zu verabschieden. Bist du darauf eingestellt?«
»Nein«, sagt sie und schaut zu ihrer Schwester, die wieder Sid anrempelt und ihm einen Bougainvillea-Zweig hinhält. Als er ihn nehmen will, zieht sie ihn weg.
»Bist du darauf eingestellt?«, fragt Alex.
»Könnte ich nicht behaupten«, antworte ich. Wie sollte ich? Andererseits will man ja immer ans Ziel gelangen. Man kann nicht irgendwohin fliegen und unterwegs in der Luft stehen bleiben. Ich möchte diese Sache zu Ende führen, auch wenn ich mich noch so elend dabei fühle. Das eigentliche Ende ist Joanies Tod.
»Kommst du mit?«, frage ich.
»Ich?«
»Ja, du, Alex. Du.«
»Wenn du mit ihm redest?«
»Nein. Du kannst mit ihr reden, während ich mit ihm rede.«
»Was ist mit unserem Blumenkind da vorne?« Sie deutet auf Scottie, die Sid eine Blume hinters Ohr steckt.
»Sie kann auch mitkommen, wenn du für mich auf sie aufpasst. Zu dritt könnt ihr die restliche Familie ablenken. Ich rede kurz mit ihm und sage ihm nur, was los ist. Ich will es nur … abschließen.«
»Jetzt gleich?«
»Ja«, sage ich. »Das hab ich doch schon gesagt.«
Scottie und Sid biegen in den Strandzugang ein und verschwinden. Ich merke, dass Alex langsamer geht. Hoffentlich wird das Ganze nicht ein Reinfall. Ich sollte Alex nicht so stark miteinbeziehen. Ich müsste andere Menschen in meinem Leben haben, auf die ich zurückgreifen kann.
»Was ist mit Sids Dad passiert?«, frage ich.
Alex wirft mir einen erstaunten Blick zu. »Wie meinst du das?«
»Ich weiß, dass er gestorben
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