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Mit dem Blick aufs weite Meer

Mit dem Blick aufs weite Meer

Titel: Mit dem Blick aufs weite Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Grant
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Harvey durfte auf keinen Fall erfahren, was in diesem Zimmer geschehen war. Niemand sollte es erfahren, und am liebsten hätte sie es ungeschehen gemacht.
    Auf einem Beistelltisch neben dem Sessel stand ihr Glas. Sie konnte sich nicht erinnern, es hier abgestellt zu haben. Es war noch in ihrer Hand gewesen, als Kent zu ihr gekommen war und sie liebkost hatte. Sie hatte sich so leicht verführen lassen. Genau wie sich damals als unerfahrener Teenager von Ben Dalton hatte verführen lassen. Aber Bens Zärtlichkeiten hatten sie niemals so in Ekstase gebracht, wie es in dieser Nacht durch Kent geschehen war.
    Doch im Gegensatz zu damals war sie jetzt eine erwachsene Frau, die ihre Gefühle unter Kontrolle haben sollte. Bis zu diesem Abend hatte sie geglaubt, das auch zu können. Doch schon bei Kents erster Berührung hatte ihr Körper mit nie gekannter Sinnlichkeit reagiert.
    Hatte Charlotte nicht von sich gesagt, sie geriete immer an die falschen Männer? Es schien Angela, als hätte sie das gleiche Problem. Denn wenn sie sich mit Kent Ferguson einließe, hätte sie mit ihm nur eine kurze Affäre. Er passte nicht in ihr Leben, und für sie war kein Platz in seinem.
    Sie trank den schalen Rest Gingerale und brachte das leere Glas danach in die Küche. Am liebsten wäre sie die ganze Nacht hier unten geblieben, aber sie befürchtete, Kent könnte sie hören und herunterkommen.
    Er hatte versprochen, morgen zurückzukommen und mit ihr ein gemeinsames Wochenende zu verbringen. Aber sie würde nicht mit ihm wegfahren, weil sie wusste, dass Kent Ferguson nicht der richtige Mann für sie war. Sie wollte Beständigkeit und keine Unruhe mehr in ihrem Leben. Kent würde sich bei ihr nehmen, was er haben wollte, und ihr nur körperliche Befriedigung geben. Dann würde er aus ihrem Leben verschwinden.
    Leise ging sie in ihr Zimmer zurück und zog Jeans und einen warmen Pullover an. Den blauen Rock und die Bluse hängte sie auf einen Kleiderbügel. Da die Bluse nicht von der Kordel zusammengehalten wurde, glitt sie herunter und fiel auf den Boden.
    So wie sie vorhin von meinen Schultern geglitten ist und ich Kents Hand auf meiner Haut gespürt habe, dachte Angela und erschauerte. Hastig schloss sie die Schranktür. Soll die Bluse auf dem Boden liegen bleiben. Ich werde sie sowieso nie wieder tragen.
    Bevor sie das Haus verließ, ging sie noch einmal in die Küche und schrieb eine Nachricht für Harvey: “Bin schon früh in den Laden gegangen. Grüß bitte Charlotte von mir.” Harvey stand meistens gegen sieben Uhr auf und würde denken, sie wäre deshalb so früh ins Geschäft gegangen, weil sie dort viel zu tun hatte. Gelegentlich hatte sie das schon gemacht. Wenn Harvey allerdings wüsste, dass sie um drei Uhr morgens zur Arbeit ging, würde er sich doch wundern.
    Im Geschäft brühte sich Angela zuerst eine Kanne Kaffee auf. Die Dunkelheit vor den Fenstern, die Helligkeit im Raum und die abgeschlossene Tür gaben ihr das Gefühl, allein auf der Welt zu sein. Sie schlenderte umher, stellte den Kaffeebecher hier und da ab, wenn sie sich nach den Stoffabfällen und Fadenresten bückte, die auf dem Boden lagen. Gegen fünf Uhr - draußen war es immer noch dunkel - sah alles so aufgeräumt aus, als wollte sie für eine Woche verreisen.
    Sie goss ihren Becher noch einmal voll, doch der Kaffee schmeckte inzwischen leicht bitter.
    Kurz darauf ging sie nach oben in den Raum, wo sich Schnittmusterpapier und Schneiderpuppe befanden. Im vergangenen Monat hatte eine Kundin, die eins von Angelas Fischerhemden besaß, in Seattle vergeblich nach einer dazu passenden Hose gesucht. Als Angela dann von zwei Freundinnen dieser Frau ähnliche Aufträge erhielt, beschloss Angela, diese Marktlücke zu füllen. Sie hatte begonnen, ein dreiteiliges Freizeitensemble für Segler zu entwerfen: Hose, Oberteil und Matchsack.
    Das Problem war, dass es viel leichter war, ein locker sitzendes Fischerhemd zu entwerfen, als eine auf Figur gearbeitete lange Hose, die gut und gleichzeitig bequem saß.
    Angela schaute von ihrem Arbeitstisch hoch. Jetzt schien das Tageslicht hell durch die Fenster. Es sah aus, als würde es wieder ein schöner Tag werden, so wie gestern. Sonnig und leicht windig. Ein richtiges Flugwetter…
    Aber sie wollte nicht an Kent denken. Was zählte, war Harveys Treffen mit Charlotte und deren Versöhnung. Kent war nur mit Charlotte verwandt. Mehr nicht! Meine Güte, dachte Angela ärgerlich, ich will nicht den ganzen Tag an gestern nacht

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