Mit dem falschen Bruder im Bett
Party für ihren sechzehnten Geburtstag gab. Er habe etwas Besonderes, das er ihr schenken wolle, hatte er gesagt. Und etwas Wichtiges, das er ihr sagen wolle. Wilde Vorstellungen und hochfliegende Hoffnungen durchströmten sie, während sie über eine Stunde in dem Aussichtsturm gewartet hatte, ehe Max gekommen war und sie gefunden hatte. Als sie nach Rhys gefragt hatte, hatte Max abgeblockt. Doch Melina hatte ihn weiter gedrängt, bis Max schließlich zugab, dass Rhys sich mit Trisha James getroffen hatte, der üppigen, blonden Cheerleaderin, die nebenan wohnte, und die Melina auf das Drängen ihrer Eltern hin eingeladen hatte. Daraufhin hatte Melina dem armen Max so lange vorgeheult, bis sie ihm so Leid tat, dass er sie geküsst hatte. Schon damals war ihr seine Kunstfertigkeit beim Küssen nicht entgangen. Dieser langsame, sanfte Kuss mit leicht geöffnetem Mund rangierte ziemlich weit oben auf ihrer persönlichen Kuss-Rangliste. Als dann schließlich irgendwann Rhys aufgetaucht war, zusammen mit Trisha, konnte Melina schon wieder überspielen, wie verletzt sie eigentlich war, und einen würdevollen Abgang hinlegen.
Sie war Max schon immer für sein Mitgefühl, das er in dieser Nacht gezeigt hatte, dankbar gewesen. Deshalb wusste sie auch, dass er sie diesmal auch nicht enttäuschen würde.
Ein weiterer schneller Blick auf die Uhr bestätigte ihr, dass sie ungefähr noch zwanzig Minuten hatte, bis er auftauchte.
Sie stieg ins Bett und probierte mehrere verführerische, einladende Positionen aus, fühlte sich dabei jedoch nur der Lächerlichkeit preisgegeben und dumm. Schließlich machte sie es sich unter den Zudecken bequem, nicht ohne zuvor die Flaschen aus der Minibar auf den Nachttisch neben sich gestellt zu haben, aufgereiht wie Gläser zum Abschuss freigegeben.
Nur noch ein bisschen mehr Mut durch Whiskey antrinken, dachte sie.
Gerade war sie bei der letzten Flasche angelangt, und ein angenehmes Summen durchflutete sie, als ihr Max‘ dritte Forderung wieder einfiel.
Ihre Brille. Sie nahm sie ab, betrachtete den zerbrechlichen Rahmen wie im Nebel und wollte sie gerade auf den Nachttisch legen. Doch sie zögerte. Mit einem Schulterzucken warf sie die Brille in Richtung Sessel und zuckte zusammen, als sie hörte, wie sie gegen etwas Hartes fiel.
Egal. Sie hatte noch eine Ersatzbrille in ihrer Handtasche und mehrere zuhause.
Heute Abend sollte sie lauter neue Dinge kennenlernen.
Neue Gefühle.
Sie wollte eine gute Schülerin sein.
Andererseits wusste sie auch, dass es, wie bei einer sie vor Schlimmerem bewahrenden Impfung in den Arm, manchmal besser war, wenn man nicht so genau sah, was auf einen zukam. Vor allem, wenn es Größe Magnum war.
***
Rhys kam aus dem Aufzug und ging müde auf sein Hotelzimmer zu. Vor der Tür angekommen suchte er nach der Schlüsselkarte in seiner Tasche, als er plötzlich erstarrte. Mit zurückgeworfenem Kopf holte er tief Atem. Er nahm den Duft von Zitrone wahr, frisch, sauber, einen Duft, den er immer mit Melina in Verbindung brachte, weil deren Mutter immer Zitronenshampoo für Melinas langes, welliges, braunes Haar bestellt hatte. Seine Eingeweide zogen sich zusammen, als er seine Unterhaltung mit Max noch einmal gedanklich durchspielte.
Sein Bruder hatte im Verlauf dieser zwei Tage zwei Treffer gelandet. Den ersten, als er seine Gefühle für Melina offen gelegt hatte, und den zweiten, als er ihn beschuldigte, sie verletzt zu haben. Beide trafen genau den Kern der Sache.
Doch er wollte Melina nicht verletzen. Das war das Letzte, was er wollte. Aber nach über einem Jahrzehnt, währenddessen er das, was er wollte, in Reichweite hatte, gleichzeitig aber wusste, dass er es nicht haben konnte, hatte er einfach weiterziehen müssen.
Zum Teufel nochmal, er und Max waren Berühmtheiten. Die Frauen warfen sich ihnen an den Hals. Die Brünette unten an der Bar hatte ihm klar gemacht, dass sie an mehr als an seinem Autogramm interessiert war, und war tief enttäuscht gewesen, als er ihr eine gute Nacht gewünscht hatte.
Und dennoch, obwohl es über die Jahre ein oder zwei geschafft hatten, seine Aufmerksamkeit für mehr als eine Nacht zu erregen, hatten sie in ihm niemals solche Gefühle ausgelöst wie die, die er empfand, wenn er mit Melina zusammen war.
Als ob ein Teil von ihm vor langem abgeschlagen und wie von Zauberhand wieder befestigt worden wäre.
Wie ein Satz Karten, dem alle Asse fehlten, bis jemand sie wieder darunter mischte.
Es war ein Gefühl,
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