Mit dem falschen Bruder im Bett
lassen. Und sie wollten, dass sie das auch glaubte.
Von ihrem wissenschaftlichen Standpunkt aus konnte Melina solchem Hokuspokus nicht zustimmen. Es war immer besser, sich mit konkreten Tatsachen abzugeben. Auf diese Weise konntest du Risiken kalkulieren und das Ergebnis voraussagen. Sogar dann war die Welt noch ein angsteinflößender Ort. Sollte man da noch sowas wie Magie in die Gleichung mit einbeziehen? Nein, danke!
Sie brauchte nicht lange, um auszupacken, und bald darauf saß sie auf der Bettkante und versuchte sich davon abzuhalten, davonzulaufen.
Während sie an einem Fingernagel knabberte, sah sie auf die Uhr. Halb acht. Max hatte ihr gesagt, dass er gegen halb neun zurück wäre und dass sie es sich gemütlich machen und auf ihn warten sollte.
„Und mit ‚gemütlich‘ meine ich nicht Jogginghose und rattenverseuchtes T-Shirt, Melina. Bring etwas zum Anziehen mit, das sexy ist!“, hatte er befohlen. „Trage dein Haar offen! Und schmeiß die Brille weg!“
„Aber ohne Brille kann ich nicht gut sehen“, protestierte sie. „Ich meine, ich renne nicht gegen die Wand, aber ich kann die genaueren Einzelheiten nicht mehr erkennen.“
Kurz blitzte so etwas wie Genugtuung in seinen Augen auf, aber dann wurde sein Gesichtsausdruck wieder gleichmütig. “Hast du keine Kontaktlinsen?“
„Ich kann keine Kontaktlinsen tragen. Ich habe trockene Augen.“
Etwas amüsiert schüttelte er den Kopf und sagte: „Tu’s einfach, Schätzchen!“ Dann lehnte er sich vor, küsste ihre Stirn wie er es schon in der Vergangenheit so oft getan hatte, und stand auf, um zu gehen. Bevor er die Tür schloss, drehte er sich jedoch noch einmal um: „Bist du dir sicher?“
Natürlich war sie sich nicht sicher, hatte sie eigentlich schreien wollen. Aber er hatte ja bereits zugestimmt. Außerdem fand sie kein Vergnügen daran, fünfzig Studentinnen zu erzählen, dass sie, was Sex betraf, ein Feigling war. Und schlussendlich hatte sie sich dazu gezwungen, sich an die Scham zu erinnern, die sie bei Brians Worten gefühlt hatte. Als er ihr gesagt hatte, sie wäre nicht gut genug, nicht sexy genug, um die Leidenschaft eines Mannes zu entfachen. Niemals wieder würde sie es zulassen, dass ein anderer Mann sie so verletzte. Und sie vertraute darauf, dass Max ihr Dinge beibringen würde, die Brians kleiner Tierarzthelferin die Schamesröte ins Gesicht treiben würde.
„Ich bin mir sicher“, sagte sie. „Schließlich ist morgen mein Geburtstag. Was könnte besser für mich sein als eine kleine Fortbildung?“
Bildung? Was für ein Quatsch, dachte sie. Sie war dankbar, dass er nur lächelte. „Richtig. Und denk‘ dran! Keine Brille! Okay?“
„Ist sie wirklich so hässlich?“, fragte sie zögerlich und berührte mit einer Hand die Fassung, von der sie einmal gedacht hatte, dass sie ziemlich modisch war.
Doch er schloss nur die Tür und sang laut Happy Birthday to you, während er den Gang hinunter und Richtung Auto ging.
Sie hatte sich so selbstzufrieden gefühlt. Schwindlig, weil er zugestimmt hatte, ihr zu helfen. Jetzt starrte sie das einzige große Gepäckstück an, das auf der Gepäckablage lag, als ob es etwas Schreckliches enthielt. Sie stand auf, ging darauf zu und hielt inne, als sie die paar Gegenstände sah, die Max auf die Oberfläche der Frisierkommode gelegt hatte. Einen schwarzen Kulturbeutel, ein Fläschchen Rasierwasser, einen Kamm, und …
Ihre Augen weiteten sich, und sie schob das Rasierwasser beiseite. Dort, aus dem Waschbeutel ragte halb eine Schachtel Kondome heraus. Zitternd nahm sie sie heraus.
Sie war offen. Nachdem sie sich umgeschaut hatte, als ob sie sichergehen wollte, dass niemand in den Raum gekommen war, als sie abgelenkt war, las sie die Aufschrift genauer. Gut, dass er auch vorbereitet gekommen war, denn das, was sie gekauft hatte, war nicht annähernd so interessant. Sie hatte einfach den üblichen Standard gekauft, wohingegen sein Geschmack in Richtung Magnum extragroß, gerippt und mit Aroma ging. Sie errötete, konnte aber nicht widerstehen, eines der in Folie verpackten Magnums herauszunehmen und genauer zu betrachten.
Die Männer, mit denen sie zusammen gewesen war, hatten alle ungefähr die gleiche Größe, und sie wusste, dass sie gut im Durchschnitt lagen. Dieses Kondom sah nicht ungewöhnlich groß aus. Also wirklich, wie groß war eigentlich der Unterschied zwischen Magnum und durchschnittlich? War es einfach nur eine Marketingstrategie, die mit der Unsicherheit der
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