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Mit dem Teufel im Bunde

Mit dem Teufel im Bunde

Titel: Mit dem Teufel im Bunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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über die Dächer und Straßen der Stadt und die sich hindurchschlängelnden Fleete, über die Alster und den Mastenwald im Hafen, den Strom der Elbe mit seinen grünen Inseln und das dahinter im herbstlichen Dunst verschwindende, im Hannöverschen gelegene Hügelland war atemberaubend. Sonnin führte sie zu allen Seiten, zeigte und benannte die Türme der Kirchen, die bedeutenden Häuser, die Tore und einige der Bastionen in der Umwallung.
    Auch jetzt war er zufrieden mit seiner Begleiterin. Keine spitzen Schreie des Entzückens, keine vermeintlich drohenden Ohnmachtsanfälle – sie staunte schweigend. Das gefiel ihm ausnehmend gut.
    Weniger gut gefiel ihm, als sie sich über die Brüstung beugte und auf den Kirchhof hinuntersah. Er erlaubte sich, sie mit beiden Händen fest um die Taille zu fassen.
    «Die Brüstung ist hoch und breit, leichtsinnige junge Madam, wenn Ihr Euch noch zwei Zoll weiter vorbeugt, fallt Ihr trotzdem», entschuldigte er sich. «Dann schlägtmich Euer Gatte mausetot, und womöglich heißt es, ich habe Euch über die Brüstung befördert. Immerhin läuft ein mörderischer Spitzbube in der Stadt herum. Wer mag da in Verdacht kommen?»
    «Danke.» Rosina rutschte aufatmend von der Brüstung und trat einen Schritt zurück. «Es war zu verlockend, aber schwindelig macht es doch.»
    Was sie gesehen hatte, entschädigte für das kurze unangenehme Gefühl. Nicht der Blick auf die beiden Totengräber, die nahe des Kirchenschulanbaus ein Grab leerten, damit es neu belegt werden konnte, sondern der auf Taubner und Juliane von Keupen. Sie waren mit einander zugeneigten Köpfen und ins Gespräch vertieft hinter einer Hecke verschwunden, die einer Laube gleich eine Bank schützte. Leider hinderte die breite Krone einer Eiche die Sicht auf die Bank. Zu dumm, dass es keine Linde war, deren Äste wären schon kahl gewesen.
    Sonnin sah sie im frischen Wind frösteln – sie hatte den hinderlichen Kapuzenumhang schon auf der Treppe zurückgelassen – und fand, nun sei genug geschaut und Zeit, wieder hinabzusteigen. Wieder im Oktogon, löste Rosina die Knoten in ihren Röcken, die waren staubig und mit rotem Abrieb der alten Ziegelsteine beschmutzt. Pauline würde ihre Freude daran haben.
    Sonnin ging in die Hocke und breitete die aus seiner Baustube mitgebrachte Papierrolle auf dem Boden aus. Er strich sie glatt und beschwerte die vier Ecken mit allerlei Utensilien, die er aus den Tiefen seiner ausgebeulten Rocktaschen zog.
    «Voilà», sagte er, «hier seht Ihr eine Sheldon’sche Maschine.»
    «Das?» Rosina fühlte sich verspottet. «Dieses simple Ding?»
    Der Baumeister nickte mit breitem Grinsen. «Fabelhaft, was? Wenn man bedenkt, wie viele Teile schon ein Mikroskop braucht. Oder ein Kran mit seiner Tretmühle, der auch keine stärkeren Lasten bewegt. Für diese Maschine braucht man nur einen beweglichen Rundbalken, sozusagen eine Walze, zwei passend lange Balken, von denen der vertikale unten gut mit Seife geschmiert und passend nach innen gewölbt beweglich auf dem Rundbalken aufliegt, der andere horizontal obenauf. Das Ganze auf einer leicht schiefen, nach akkurater Berechnung nach innen gewölbten Ebene – fertig. Fast, dann bedarf es natürlich noch an den Enden des Rundbalkens der beiden Hebelgriffe, an denen ihn zwei kräftige und der Behutsamkeit fähige Männer bewegen. Natürlich reicht für das Gewicht des Turms eine Maschine nicht aus, man braucht eine ganze Reihe.»
    In den Knien wippend drückte er mit beiden Fäusten einen imaginären Hebel hinab, sah Rosinas immer noch so verständnislosen wie zweifelnden Blick und lachte.
    «Glaubt mir», rief er, «es ist geradezu peinlich einfach. Welche Apparate und Gerüste musste ich dagegen austüfteln, nur um die Brandruine der Michaeliskirche abzutragen, ohne dass einstürzende Wände die umliegenden Häuser zerstörten!»
    «Schön und gut», gab Rosina zögernd nach, «aber wie soll dieses schlichte Ding den riesigen und wer weiß wie schweren Turm heben?»
    «Eine notwendige Frage, das Wichtigste habe ich Euch vorenthalten.» Sonnin trat an die Wand und zeigte zu den direkt unter der Decke des Oktogons quer liegenden Balken hinauf. «Dort unter den Balken, einer wird herausgelöst, und dann werden die oberen, sozusagen die Querbalken der Sheldon’schen Maschinen angesetzt und daruntergeschoben, das bedarf tüchtiger Zimmer- und Mauerleute,die haben wir. Allesamt erfahrene Arbeiter, mit den meisten habe ich schon anno 1762 mit zwölf

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