Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit dem Teufel im Bunde

Mit dem Teufel im Bunde

Titel: Mit dem Teufel im Bunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
Jahren. Um die große in der Mitte zum Läuten zu bringen – sie ist erst hundertfünfzig Jahre alt   –, braucht man zwölf Männer, wusstet Ihr das? Und seht Ihr das Relief dort? Diese Dame unter den Akanthusfriesen ist unsere Katharina. Bekommt Ihr wieder genugAtem? Gut, dann lasst uns weitersteigen. Ich hoffe, diese luftigen hölzernen Treppen machen Euch nicht schwindelig.»
    Beim Anblick des Reliefs auf der Glocke war Rosina plötzlich eine Möglichkeit eingefallen, Juliane van Keupen näherzukommen. Bei dem Stolz, den sie auf Taubners Arbeit gezeigt hatte, war es ihr sicher eine Freude, das Werk seiner Hände an der Decke ihres Salons zu zeigen.
    Weiter ging es in die nächste Etage, die untere des Oktogons, des achteckig gemauerten Teils des Turmes unter den Hauben und Laternen, dann in die obere. Dort blieb Sonnin stehen, wandte sich nach Südwesten, blickte hinauf zum Rand der Decke und wartete, bis sein Herz wieder in gewohnter Gemächlichkeit schlug.
    «Dort», sagte er, «dort oben werden meine Maschinen ansetzen und die Ecke anheben, Zoll um Zoll.»
    Rosina war noch mit anderem beschäftigt. «Ist dies das Uhrwerk?»
    Sonnin wies auf das über ihren Köpfen verlaufende Gestänge. «Die Stangen gehen zu den Zeigern der vier Uhren. Und diese Drahtseile», er fuhr mit der Hand über straffe, nach oben durch die Decke und wieder hinunter durch den Boden geführte Seile, «die verbinden das Uhrwerk mit den Hämmern der Stundenglocken. Ihr wart wirklich nie hier oben?», fragte er. «Oder auf einem der anderen Kirchtürme?»
    «Noch nie. Ich glaube nicht, dass die Türme so einfach für jedermann zugänglich sind. Dieser Raum ist größer und höher, als ich dachte.»
    «Das geht allen so. Es ist eine schlichte Frage der Optik, der Perspektive. Von unten sieht es eben kleiner aus, so wie ein Turm aus der Entfernung kleiner erscheint. Es stimmt, es ist ein besonders schöner und großer Turm. Der Blickdurch die schmalen Fenster hier ist beachtlich, aber   … ach, kommt mit und seht selbst.»
    Er trat an die Leiter, die hinauf zur ersten, der Haube unter den beiden Laternengeschossen führte, den offenen Räumen unter den von je sechs kupferbelegten, sich zu Rundbogen schließenden Säulen getragenen «Welschen Hauben» unter der krönenden achteckigen Spitze mit Kugel, Kreuz und Wetterfahne.
    Schon den Fuß auf der ersten Sprosse, musterte Sonnin kritisch Rosinas Röcke. «Vielleicht sollte der Blick aus den Fenstern hier im Oktogon doch genügen? Die Leiter ist ziemlich fest verankert und die Aussicht von dort oben famos, doch weiß ich nicht, ob Ihr im Erklimmen von Leitern geübt seid und die Kleidung einer Dame das erlaubt.»
    «Ersteres ja, Letzteres keinesfalls», sagte Rosina, griff einen Saum ihrer Röcke nach dem anderen und schlang feste Knoten in die Stoffbahnen, bis sie eng genug an ihrem Körper lagen, um ihre Schritte nicht mehr zu behindern, aber weit genug waren, um sie beim Aufstieg nicht einzuschränken.
    «Jetzt stören die Röcke nur noch wenig», erklärte sie. «Ihr werdet gewiss nicht verraten, dass ich Euch so unschicklich meine Unterröcke und Beine gezeigt habe. Wenn Ihr bitte vorausgehen wollt, Monsieur Sonnin? Ich meine: vorausklettern.»
    Rosina hätte nichts dagegen gehabt, wenn eine dritte Person die Leiter festgehalten hätte, sie war massiv, trotzdem schwankte und knarrte sie bei jedem Tritt. Sie versuchte, mit dem Baumeister im Gleichschritt zu steigen, das verminderte das Schwanken wenigstens ein bisschen.
    Der Raum unter der Haube war düster, nur zwei winzige, die Eleganz der kupferverkleideten Haube nicht störende Fenster ließen Licht herein.
    Noch eine Leiter musste bewältigt werden, dann war es geschafft. Oben angekommen, stemmte Sonnin die hölzerne Falltür hoch, kletterte ächzend und etwas von seinem Alter murmelnd hinaus ins Freie und reichte Rosina für den letzten Schritt die Hand. Er war beeindruckt von der jungen Madam Vinstedt. Kein Geziere, kein Gejammer über die Unbequemlichkeit, nur entschlossenes und praktisches Verhalten. Sie war eine kräftige Person, kräftiger, als ihre schlanke, nicht besonders große Gestalt vermuten ließ. Zumindest für körperliche Betätigungen schienen Theater und Ballett eine gute Schule zu sein.
    In der Laterne empfing Rosina frischer Wind, nur ein schneller Griff rettete ihr zartes, mit den neuen kleinen Seidenblüten garniertes Batisthäubchen vor dem Davonfliegen. Die Kletterei hatte sich wirklich gelohnt. Der Blick

Weitere Kostenlose Bücher