Mit dem Teufel im Bunde
Mühren, versickerten dumpf in der nassen Luft wie unter einer dicken Lage Watte. Einzig der Schrei einer Möwe durchdrang schrill die milchige Düsternis. Aber da war noch etwas. Was?
Der Nebel ist ein großer Betrüger. Er täuscht Augen und Ohren und verführt die Phantasie zu seltsamen Bildern und Gedanken. Was sie nun beunruhigte, war, dass etwas fehlte. Gerade hatte sie hinter sich noch gedämpfte Schritte gehört, nun war es still. Sie schob die tief ins Gesicht gezogene Kapuze zurück und sah sich um, da war niemand. Natürlich nicht, wo sie keine Schritte hörte, konnte auch niemand sein. Sicher war jemand auf dem Weg nach Hause angekommen und in einem der Häuser verschwunden. Trotzdem blieb gegen alle Vernunft dieses unangenehm drängende Gefühl im Rücken. Die Katharinenstraße erschien ihr heute sehr lang. Da waren wieder Schritte. Sie sah ohne stehen zu bleiben über ihre Schulter – war dort nicht etwas gewesen? Hatte sich nicht jemand in eine der Hofeinfahrten gedrückt?
«Töricht», murmelte sie, «ich bin so ein törichter Hasenfuß.» Sie widerstand trotzig dem Impuls, die Röcke zu raffen und zu laufen. Jetzt, da ihre Ohren wachsam waren wie die eines Fuchses auf der Flucht vor der Meute, hörte sie es wieder. Leichte Schritte. Oder verstohlene Schritte? Unsinn. Viele Menschen mussten noch in der Stadt unterwegs sein, manche mit von schwerer Arbeit müdem Gang. Nur weil der Nebel so kalt und undurchdringlich war, konnten sich nicht alle verkriechen.
An der Kreuzung mit der Reimerstwiete blieb sie stehen, hielt die weite Kapuze unterm Kinn fest und weigerte sichzu lauschen. Stattdessen überlegte sie abzubiegen, dann würde sie merken, ob ihr jemand folgte. Ein Blick in die dunkle Twiete und das dumpfe Glucksen des Wassers unter der Brücke über den Nikolaifleet auf der anderen Seite ließen sie rasch weitergehen. Ob sie es hören wollte oder nicht, auch die Schritte hinter ihr wurden schneller. Es war nur ein Spuk, den Irrlichtern in den Mooren gleich, die man sicher war zu sehen und die es doch nicht gab. Sie wollte gar nicht mehr sehen, was hinter ihr war, doch beherzt blickte sie sich noch einmal um – da war niemand. Absolut niemand. Nur Nebel und Schatten. Und ein Gaukelspiel für ihre Ohren?
Endlich begann sie zu rennen, egal, was sie hinter sich hörte, zu hören glaubte, sie würde sich nicht mehr umsehen, nicht mehr lauschen, sie würde nur noch rennen. Atemlos, mit klopfendem Herzen, flatternder Kapuze und durchnässten Schuhen erreichte sie ihre Haustür, rannte die Treppe hinauf, Stockwerk um Stockwerk, stieß endlich die Tür zu ihrer Wohnung auf – und fiel Magnus in die ausgebreiteten Arme.
«Donnerwetter», lachte er, «Wie gut, dass ich bei der Tür stand, du wärst sonst glatt bis in die Küche geflogen.»
Er hielt sie an den ausgestreckten Armen bei den Schultern und sah sie besorgt an. «Hast du ein Gespenst gesehen, Liebste? Was ist passiert?»
«Nichts», stieß sie, noch nach Atem ringend, hervor, «gar nichts. Es ist nur der Nebel, der macht alles so unheimlich. Ich wollte rasch zu dir, da bin ich gerannt.»
Zärtlich lächelnd zog er sie wieder an sich. «Gib’s zu», sprach er in ihr nebelnasses Haar, «du hast die Gelegenheit genutzt. Bei diesem Wetter und der Düsternis sind die Straßen fast leer, da kann sich niemand über die undamenhaft über Pfützen und streunende Katzen hüpfende Madam Vinstedt mokieren.»
Rosina murmelte Unverständliches, sie fühlte, wie Magnus’ Umarmung und seine Wärme die gespannte Starre ihres Körpers löste, allein seine Gegenwart verwischte den Spuk in der nebeligen Dunkelheit zu einer Posse.
«Ich brauche heißen Tee», sagte sie und legte den Kopf zurück, um ihn anzusehen, «besser noch ein heißes Bier, sonst fängt mich die Influenza. Und ich habe Hunger, sogar schrecklichen Hunger.»
«Das hoffe ich», rief Pauline von der Küchentür, «der Suppentopf ist randvoll. Das verlangt leere Mägen und großen Appetit.»
«Sie schmeckt delikat», rief Tobias, dessen Kopf etwa in Höhe von Paulines Taille durch die Küchentür sah. «Richtig delikat», wiederholte er, stolz auf das schöne neue Wort, das er heute von seinem Lehrer aufgeschnappt hatte.
«Wunderbar.» Rosina seufzte glücklich. Es war in der Tat wunderbar, aus der Kälte in ein warmes und sicheres Zuhause zu kommen, von einem liebenden Gatten mit einer freudigen Umarmung, von einer fähigen Köchin mit einer heißen Suppe erwartet zu werden. Und einem
Weitere Kostenlose Bücher