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Mit dem Teufel im Bunde

Mit dem Teufel im Bunde

Titel: Mit dem Teufel im Bunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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anderen ihrer Mutter ähnlich, jedenfalls wenn man sich vorstellte, wie sie in ihrer Jugend ausgesehen haben mochte, als die Welt noch voller Zukunftslicht gewesen war.
    Hatte Grabbe nicht gesagt, in der Familie gebe es außer Akulina noch vier Kinder? Dann musste eines fehlen. Der Raum schien auch so zu eng. Da waren die gemauerte Feuerstelle in ihrer Nische, der Tisch, Stühle, ein alter, halboffener Schrank und eine Kiste, auf der ein mit Wasser gefüllterSteingutkrug neben einer Schüssel mit einem Handtuch stand, ein paar ineinandergestapelte hölzerne Wannen und Eimer, eine schlichte, doch fein gearbeitete und geschmirgelte hölzerne Bank nahe dem Herd, unter der Strohsäcke für ein Nachtlager verstaut waren. Das war alles und nichts Besonderes. Eine weitere Tür zeigte, dass die Wohnung aus zwei Zimmern bestand. Ungewöhnlich waren einzig drei Bilder, die mit Nadeln an der Fensterwand befestigt waren, zarte Landschaften, eine mit Gebäuden und Dächern am Horizont, unter denen ihm ein eigentümlich geformter Turm auffiel.
    «Meine Heimat», sagte Gamradts Frau mit ihrer tonlosen Stimme, «meine, Jakobs und Akulinas. Elena ist auch noch dort geboren, aber sie erinnert sich nicht mehr. Nehmt Platz, Weddemeister. Es ist spät, sicher seid Ihr müde. Wie wir.»
    Alle beobachteten schweigend, wie er sich setzte, wieder wusste er nicht recht, wie am besten anzufangen sei. Er hatte eine ablehnendere Stimmung erwartet. Er fühlte sich nicht gerade willkommen, das geschah äußerst selten, doch hier war nicht mehr als – Neugier? Das würde sich gleich ändern.
    Er sah Gamradt an, der sich auf den Stuhl ihm gegenüber gesetzt hatte.
    «Ihr arbeitet im Speicher der van Keupens», begann er, Gamradt unterbrach ihn gleich.
    «Ja, deshalb überrascht mich Euer Besuch nicht. Mich wundert nur, wie lange es gedauert hat.»
    Wagner kniff die Augen zusammen, das Licht war matt, auf dem Tisch stand eine rauchende Unschlittkerze, an der Wand neben der Tür zum zweiten Zimmer brannte eine funzelige Tranlampe – mehr Licht gab es nicht. Natürlich nicht – schon die Lampe als zweites Licht war ein Luxus.Gamradts Miene hatte sich nicht verändert, er musterte sein Gegenüber abwartend. Niemand machte Anstalten, die Kinder hinauszuschicken, sie saßen mit am Tisch und starrten ihn schweigend an. Die beiden Frauen hatten sich auf die Bank an der Wand gesetzt, Wagner spürte ihre Blicke im Rücken.
    «So lange, ja. Diese Angelegenheit ist vielfältig», erklärte er. «Man hat mir zugetragen, in den Speichern habe es Unmut gegeben, weil Madam van Keupen Männer entlassen hat, die – wie soll ich es sagen?   –, die krank waren. Oder wenig arbeitsam. Oder unbotmäßig. Ihr arbeitet schon etliche Jahre für das Haus van Keupen, Ihr könnt mir sagen, wie man darüber in den Speichern dachte.»
    «So, habt Ihr das gehört.» Gamradt verschränkte die Arme vor der Brust und setzte sich aufrechter. «Es gibt überall Ärger, wo viele Männer arbeiten, auch bei uns. Manchmal muss man Leute entlassen, wenn sie sich lieber in die Kaschemmen verdrücken, als an der Kranwinde zu stehen und Tonnen und Kisten zu schleppen. Mehr ist dazu nicht zu sagen, Weddemeister. So einer ist auch bei uns entlassen worden, ja. Das muss schon mehr als ein halbes Jahr her sein. Inzwischen hat er einen Dummen gefunden, der ihn jetzt für seine Faulheit bezahlt. Vielleicht bin ich ungerecht und es war ihm eine Lehre, kann sein, er ist plötzlich fleißig geworden und trinkt nur noch sonntags. Eigentlich weiß ich gar nicht, warum Ihr gerade zu mir kommt. Ich an Eurer Stelle wäre zu Klotte gegangen, der ist bei uns der Oberste und seit drei Jahrzehnten im Speicher der van Keupens.»
    Wagner nickte scheinbar abwägend, kein Grund zu erwähnen, dass er schon mit Klotte gesprochen hatte. Wenn der es für überflüssig hielt, seinen Männern davon zu berichten, warum sollte er es tun? Klotte hatte nur das Lobliedauf die gütige Madam, den Fleiß und die Christlichkeit seiner so ungemein zufriedenen Arbeiter gesungen. Es hatte Wagner geärgert, aber nicht überrascht.
    «Ich habe auch gehört   …»
    Da rutschte das kleinere der Mädchen von seinem Stuhl neben ihm, und ehe er wusste, wie ihm geschah, kletterte sie auf seinen Schoß, kuschelte sich an seinen runden Bauch und schloss wohlig summend die Augen. Wagner blickte erschreckt auf den dünnen blonden Schopf und hob mit hilflos ausgestreckten Händen die Arme. Weder Eltern noch Geschwister forderten sie

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