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Mit dem Teufel im Bunde

Mit dem Teufel im Bunde

Titel: Mit dem Teufel im Bunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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auf, sie möge sich wieder auf ihren Stuhl setzen, so legte er einen Arm behutsam um den zarten Körper und hielt ihn fest.
    «Ja», sagte er, immer noch irritiert von diesem vertrauensvollen kleinen Fremdling so nah bei sich, «wie ich gerade sagte, ich habe gehört, Ihr seid in der Welt herumgekommen. Dann hat man wachere Augen und Ohren, denke ich.»
    «Ihr hört und denkt viel. Aber es stimmt. Ich war als Kolonist in Russland. Der Aufruf der Werber stand im
Hamburgischen Correspondent
, unser Pastor hat ihn an seine Gemeinde weitergegeben. Ich bin Tischlergeselle und dachte, dort bringe ich es weiter als hier, also habe ich die Reise angetreten. Von Lübeck mit dem Schiff nach Sankt Petersburg. Neun Jahre muss das her sein. Sie hatten uns bloß nicht gesagt, dass die Zarin Bauern wollte, plötzlich fand ich mich auf einem Stück Brachland bei Saratow wieder. Das ist eine kleine Stadt an einem Fluss, der Wolga heißt. Gegen den ist unsere Elbe ein Bach, Weddemeister. Ich bin aber kein Bauer, ich verstehe nichts davon, und zu viel weites Land macht mich unruhig, also bin ich wieder hier.»
    Während der letzten Worte war sein Gesicht grimmig geworden.Als seine Frau leise sagte: «Und du hattest schreckliches Heimweh, Friedrich», wurde es weicher.
    «Ja, Magda, und jetzt hast du Heimweh. Meine Frau», erklärte er Wagner, «ist in Saratow geboren, Akulina, Jakob und Elena auch. Es gibt viele Deutsche in der Gegend, ganze Kolonien. Magda war Witwe, als ich sie kennenlernte, für sie und die Kinder hat sich das ganze Abenteuer gelohnt.»
    Sie waren bald nach Sankt Petersburg übergesiedelt, dort wollten sie sich niederlassen und bleiben. Da wurde ständig gebaut, man hatte aber eher Zimmerer als Tischler gebraucht, er hatte nur Arbeit als Tagelöhner gefunden. Damals waren viele Tausende dorthin ausgewandert, es konnte eben nicht für alle reichen. Deshalb waren sie zurückgekommen. Als er auch hier keine Arbeit als Geselle fand, hatte er begonnen, im Speicher zu arbeiten.
    «Dabei ist es geblieben», schloss er, «jetzt tischlere ich nur noch für uns oder für meine Schwester in Wandsbek. Mehr ist ja nicht erlaubt, wenn man sich nicht als Bönhase verprügeln lassen will. Aber Ihr werdet kaum hier sein, um unsere Geschichte zu hören, Weddemeister. Wenn Ihr wissen wollt, ob ich was mit dem Tod Madam van Keupens zu tun habe, ist das allerdings ein schlechter Witz. Ich war immer dankbar für die Arbeit, die sie mir gegeben hat. Es ist ehrliche Arbeit, und sie ernährt uns, mit Akulinas und Magdas Lohn geht es uns ganz gut.»
    Akulina arbeite in der Kunstblumenmanufaktur am Baumwall, sie sei überaus kunstfertig. Und seine Frau helfe in den Gärten vor dem Steintor aus, sooft sich die Gelegenheit ergebe. Jakob helfe auch, wo immer er ein paar Pfennige verdienen könne. Nach der Schule, er solle noch lernen. Mit Glück fänden sie im nächsten Jahr einen Meister, der ihn als Lehrjungen nehme. Er wolle Schlosser werden.
    Magda Gamradt räusperte sich leise hinter Wagners Rücken.
    «Nun gut. Was wollt Ihr wissen?», fragte Gamradt. «Wo ich war, als das Schwein sich in der Kirche so versündigt hat?»
    «Ja», sagte Wagner. Das Kind auf seinem Schoß war eingeschlafen, er bemühte sich, unbeweglich zu sitzen, damit es nicht herunterrutsche.
    «Das ist einfach.» Nun grinste Gamradt mit Genugtuung. «An dem Tag war ein Schiff mit dem halben Bauch voller Früchte aus dem Süden eingelaufen, solche Segler müssen immer schnell entladen werden, damit nicht so viel fault und schimmelt. Es war noch recht mildes Wetter, da verdirbt alles schneller. An dem Tag», er lehnte sich mit triumphierendem Gesicht über den Tisch, seine Nase berührte fast Wagners, «an dem Tag haben wir alle im Speicher gearbeitet, bis wir im Dunkeln rumgestolpert sind. Alle, da könnt Ihr jeden von uns fragen. Sogar Bergstedt, der war nämlich bei uns auf dem Boden und an der Kranwinde, direkt bevor er nach Hause ging. Da war Madam van Keupen wohl schon unterwegs zur Kirche. Bergstedt guckt gerne nach, ob keiner auf der faulen Haut liegt und beim Schleppen alle schnell genug rennen. Feiner Herr, der Monsieur.»
    Wagner brauchte einen Moment, bis er merkte, dass Gamradt schwieg. Müde, wie er war, hatte ihn die muffige Luft in dem kleinen Raum voller Menschen unaufmerksam gemacht. Er hatte Gamradt nicht so schnell folgen können, er war noch bei Sankt Petersburg. An irgendetwas hatte ihn die Erwähnung der russischen Hauptstadt erinnert. Da war doch

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