Mit dem Teufel im Bunde
müsse in Kürze nach Berlin zurückreisen, wo seine Gattin ihn erwarte. Leider habe der preußische König ihm den erwarteten Posten nicht gewährt, er wolle sich so schnell wie möglichauf sein Gut im Schlesischen zurückziehen und sich der Wissenschaft widmen, um alles Schreckliche hinter sich zu lassen. Deshalb sei er in Eile. Eigentlich sei er nur nach Hamburg und insbesondere nach Altona gekommen, um mit dessen alten Freunden seines unglücklichen Bruders zu gedenken.
Das war eine Menge Erklärung, hatte Rosina gedacht und war enttäuscht gewesen, als er bat, mit Magnus allein zu sprechen. Falls es Madam Vinstedt konveniere.
Es konvenierte Madam Vinstedt überhaupt nicht, bedauerlicherweise war es unmöglich, das zu sagen. So servierte Pauline den beiden Herren die Abendmahlzeit im Salon, Rosina setzte sich zu ihr und Tobi in die Küche. Magnus’ diskrete, um nicht zu sagen geheime Mission schien bekannt zu sein wie die Preise für Butter und Gelbe Rüben.
Sie hatte nicht gewusst, dass Magnus den ehemaligen Justizrat kannte, sie wusste so vieles nicht. Sie kannte nicht einmal seine Familie. Die war allerdings klein. Nach dem frühen Tod seiner Eltern, die ihm ein nicht reiches, doch behagliches Erbe hinterlassen hatten, war ihm nur eine um etliche Jahre ältere Schwester geblieben. Zur Hochzeit war sie nicht gekommen. Madam Wippermann war im Kölnischen verheiratet, ausnehmend gut verheiratet, wie Magnus einmal bemerkt hatte. Die Reise sei doch recht weit, hatte sie geschrieben, zumal ihren Gatten die Gicht plage. Sie hatte Glück und Gottes Segen für die Zukunft gewünscht und ein kostbares Geschenk gesandt, eine Diana mit ihren Windhunden auf einem Sockel unter dem von zwei Säulen aus grünem Achat getragenen vergoldeten Bogen. Der war von Ranken umgeben und von einer mit Blumen gefüllten Vase gekrönt. Auch die Füße der Säulen und das Füllhorn zu Füßen der Jagdgöttin waren vergoldet, dieBlüten aus verschiedenen Achaten. Es sei eine Allegorie des Herbstes, hatte sie dazu geschrieben, der Frühling sei für diese Gelegenheit passender, doch leider nicht zu haben gewesen. Aber eine Diana schicke sich immer zu einer Vermählung, besonders eine ruhende, da die Jagd mit der Eheschließung vorbei sei. Vielleicht hatte sie Humor. Rosina war fest entschlossen zu glauben, ihr Fernbleiben liege tatsächlich an der Gicht Monsieur Wippermanns und nicht an der falschen Wahl ihres Bruders bei seiner Ehefrau.
Sie legte den Kopf auf ihre Arme und schloss die Augen. Nur für zwei Minuten. Warum, dachte sie schläfrig, hatte Henrik vorgegeben, sich nicht an ihn zu erinnern, also diesen Struensee nicht zu kennen? Er kannte ihn sicher. Hätte er sonst diesen ergebenen Kratzfuß gemacht? Wahrscheinlich sah einer, der eine Verschwörung im Schloss, den Sturz und die Hinrichtung eines verehrten Staatsmannes und die Absetzung und schmachvolle Ausweisung einer geliebten Königin erlebt hatte, noch mehr Gespenster als sie, die sich nur von ihrer Phantasie narren ließ. Wahrscheinlich … Da war sie schon eingeschlafen.
Als Magnus sie mit einem Kuss auf ihren Nacken weckte, als er sie aufhob und in ihre Schlafkammer trug, versuchte sie sich zu erinnern, ob sie es nur geträumt hatte oder ob sie Monsieur Struensee tatsächlich gefragt hatte, ob er ihr in der Katharinenstraße nachgegangen sei. Und ob er geantwortet habe: Nein, das könne nicht sein, er habe den Weg von der Deichstraße über die Holzbrücke genommen.
Eigentlich war das jetzt einerlei, entschied sie, als Magnus ihr half, das Gewand abzulegen und mit zärtlichen Händen begann, ihr Mieder aufzuschnüren, so einerlei wie der Nebel vor der Tür.
KAPITEL 10
SONNTAG, 1. NOVEMBER, VORMITTAGS
«Warum habt Ihr Karla nicht mitgebracht?», fragte Rosina. «Wir haben Eure Frau lange nicht gesehen.»
«Karla, ja. Sie muss die Monogramme in die Mundtücher für Mademoiselle Späth sticken, ein eiliger Auftrag, die Hochzeit ist schon in sechs Tagen. Auch ein ehrenvoller Auftrag», erklärte Wagner mit kaum verhohlenem Stolz, «sie wird nur völlig fehlerfreie Arbeit abliefern. Jetzt ist das Licht in unserer Wohnung am besten. Karla sagt, es geht nichts über gutes Tageslicht.»
Bis zu ihrer eigenen Hochzeit mit dem Weddemeister vor zweieinhalb Jahren war Karla nur eine junge Magd mit nicht ganz makelloser Vergangenheit gewesen. Inzwischen hatte sie ein Talent für die Weißstickerei und einen alle überraschenden Ehrgeiz gezeigt. Die diffizile Arbeit
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