Mit dem Teufel im Bunde
Monsieur Bergstedt, mein Erster Schreiber. Er hat den Auftrag, heute für die Reparatur zu sorgen, die nun erheblich größer ausfallen wird. Sonst niemand. Doch, meine Schwägerin Mademoiselle van Keupen, die Stiefschwester meines verstorbenen Mannes. Sie lebt inmeinem Haus. Als ich ihr davon erzählte, hat es vielleicht auch eines der Mädchen gehört. Ja, das ist möglich. Ich glaube, es war in der Diele, und das Aschenmädchen kam gerade aus der Küche. Natürlich weiß ich nicht, ob sie auf unser Gespräch geachtet hat.»
«Das Aschenmädchen, so. Das gleiche, das das Feuer entdeckt hat?»
«Selbst ein großes Haus wie meines braucht nur
ein
Aschenmädchen, Weddemeister.»
«Nur eines, natürlich. Hat sie einen Namen?»
«Sie heißt Dora.»
«Und?»
«Ihr meint den Vaternamen? Der ist mir entfallen, Ihr könnt die Köchin fragen, sie wird es wissen.»
«Ich möchte lieber das Mädchen selbst fragen.»
«Das steht Euch frei. Allerdings müsst Ihr Euch gedulden. Dora ist seit Tagesanbruch zu meinem Garten vor dem Steintor unterwegs, es sind Falläpfel aufzusammeln. Das arme Kind wird müde sein, doch so ein kleiner Brand ist kein Grund, eine erforderliche Arbeit zu versäumen. Und nun würde ich mich gerne um
meine
Arbeit kümmern, Ihr werdet verstehen, dass ich begierig bin, alles genau zu prüfen. An einem anderen Tag stehe ich wieder zur Verfügung. Sofern es nötig ist.»
Als Wagner das Kontor verließ, prallte er beinahe gegen einen Mann, der mit hastigen Schritten von der Diele kam und, ohne den Besucher zu beachten, weitereilte. Wagner kannte den Ersten Schreiber der van Keupens, er war ihm bei anderer Gelegenheit begegnet.
Ein Mensch ohne den scharfen Blick des Weddemeisters hätte sich vielleicht nicht an Lenert Bergstedt erinnert. Er war ein schlanker Mann von mittlerer Größe und kleidete sich stets in dezenten dunklen Farben, wie es sich für einenSchreiber ziemte, doch das Tuch seines schlichten Rockes verriet beste Qualität, die Strümpfe waren von Seide, Hemd und Halsbinde von feinem Leinen, selbst die schwarzen Schuhe mit den schlichten Silberschnallen zeigten sich makellos. Seine Haltung und sein Gang waren trotz der für einen Mann ungewöhnlich hohen Absätze – hier verriet seine Erscheinung doch ein wenig Eitelkeit – fest und selbstbewusst. Auffällig waren an ihm nur die kräftigen Brauen und die dunklen, leicht umschatteten Augen, die Wagner auch bei dieser flüchtigen Begegnung an einen Greifvogel denken ließen. Trotz seiner bald vierzig Jahre war Bergstedts tiefbraunes Haar noch dicht und nur an den Schläfen leicht ergraut. Wäre Wagner eine Frau im reifen Alter gewesen, hätte er ihn attraktiv gefunden, so witterte er nur unangemessenen Hochmut.
«Madam», hörte er Bergstedt mit warmer Stimme sagen, «ich habe gerade erst von dem Feuer erfahren. Warum nur habt Ihr nicht gleich nach mir geschickt?»
Wagner sah ihn Madam van Keupens Hände ergreifen und ging. Obwohl sie ihn interessiert hätte, wartete er nicht auf ihre Antwort. Mit Bergstedt würde er sich später befassen. Wie mit dem Aschenmädchen, ohne die Gegenwart der wachsamen Augen und Ohren ihrer Herrin.
Als Sibylla van Keupen bald darauf von ihren Papieren auf und in den Hof blickte, entdeckte sie den Weddemeister. Er ging direkt auf die Fässer zu, es würde sie nicht wundern, wenn gleich sein Kopf hinter dem Fenster auftauchte, allerdings vermutete sie, dass seine Beine zu kurz und sein Körper zu schwerfällig waren, um sie zu erklimmen. Der kleine dicke Mensch wirkte dümmlich, sie würde nicht den Fehler machen, darauf hereinzufallen.
***
DIENSTAGMORGEN
Das Gasthaus
Zum Himmel
in der Lembkentwiete machte seinem Namen keine Ehre. Selbst ein flüchtiger Betrachter erkannte, dass es sich nur dank der stabileren Mauern der benachbarten Häuser aufrecht hielt. Das vom Alter schiefe Fachwerk bröckelte, die kleinen Fenster aller drei Etagen waren trübe, und wer vermessen genug war, eines zu öffnen, musste gewahr sein, dass der Flügel auf die Twiete hinabfiel. Deshalb hatte der Wirt die meisten von innen vernagelt. Die Luft im
Himmel
war alles andere als paradiesisch.
Auch sonst entsprach das Äußere dem Inneren. Die engen Flure, Stiegen und Zimmer rochen muffig, feucht und nach ungewaschenen Menschen, es war lange her, seit Wände und Böden mit Farbe oder Wasser in Berührung gekommen waren. Kurz und gut, wer im
Himmel
abstieg, für einen der klumpigen, reich von Flöhen bevölkerten Strohsäcke auf
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